0952 - Dr. Sensenmann
nachfragen.
Fünf Minuten später, im Wagen war es wieder kälter geworden, entdeckte ich ihn.
Als kleine Gestalt erschien er im Rückspiegel, und ich hatte es plötzlich eilig. An der Beifahrerseite stieg ich aus und öffnete die Motorhaube. Ich hoffte darauf, daß der alte Trick mit der Autopanne noch immer klappte, beugte mich über den Motor und wurde zugleich von der Haube etwas gedeckt.
Die Straße war nicht sehr befahren. Hin und wieder huschte ein Auto vorbei. Ich betete darum, keinen hilfsbereiten Fahrer zu erwischen, das hätte meinen Plan zerstört.
Zum Glück hielt keiner an, aber ich sah bereits den heranschlendernden Zuchthäusler. In mir stieg die Spannung. Ich hoffte, ein guter Schauspieler zu sein, tauchte unter der Haube hervor und rammte sie dann nach unten, wobei ich mir selbst lobend zunickte, die Hände an einem Taschentuch reinigte - und plötzlich den Überraschten spielte, weil ich Ferrano so unmittelbar in meiner Nähe sah.
Er war stehengeblieben, schaute mich an, und ich sah ihm ins Gesicht, wobei sich meine Lippen zu einem etwas gequälten Lächeln verzogen hatten.
»Manchmal hat man eben Pech«, sagte ich.
Er nickte nur.
Bekleidet war er mit Jeans, einem Hemd, einem dünnen Pullover darüber und einer Lederjacke, die noch nicht wieder modern war.
Ich strahlte ihn an. »Aber jetzt kann ich weiterfahren. Der Schaden ist behoben.«
»Sehr gut.«
Ich ging an ihm vorbei und öffnete die Wagentür. Aber ich stieg noch nicht ein, denn ich hatte sehr wohl bemerkt, daß ich von ihm beobachtet wurde. »Pardon, Mister, aber ist etwas mit mir? Habe ich vielleicht etwas an mir?«
»Nein.«
»Dann ist es gut.« Ich öffnete die Tür, bewegte mich normal, aber ich hoffte, daß Ferrano auf meinen Plan ansprang.
Er tat es. »Eine Frage noch«, sagte er, so daß ich mich nicht setzte, sondern wieder hochkam.
»Ja, was ist?«
»Wohin fahren Sie?«
»Ich, Richtung Liverpool. Wollen Sie mit?«
Er starrte mich aus seinen dunklen Augen lauernd an. Er schätzte mich ein, er versuchte herauszufinden, ob ich ihm eine Falle gestellt hatte, und nach einer Weile nickte er. »Ja, das wäre nicht schlecht.«
»Also mitfahren?«
»Genau.«
»Dann steigen Sie ein.«
Er tat es noch nicht. »Sie kommen nicht aus dieser Gegend hier - oder?«
»Nein, aus dem Süden.«
Mit dem linken Daumen deutete er den Weg zurück, den er gekommen war. »Wissen Sie denn über diesen großen Bau Bescheid?«
»Das ist ein Zuchthaus. Man sieht es.«
»Eben. Aus ihm komme ich.«
»Entlassen?«
»Sicher.«
»Dann ist ja alles klar. Sie haben Ihre Strafe abgesessen und können wieder ins Leben einsteigen.«
»Toll.« Ferrano lachte laut auf. »Toll, wie Sie das gesagt haben. Könnte man direkt aufschreiben.«
»Klar, aber so denke ich mal. Ich habe da keine Vorurteile, wenn Sie verstehen.«
»Sehr gut sogar.«
»Dann steigen Sie endlich ein.«
Er tat es schnell und warf sein Gepäck auf den Rücksitz. »Ich heiße übrigens Mickey. Mickey Ferrano.«
»Ich bin John Sinclair.«
Er grinste mich an. »Die Vornamen reichen Ihnen doch aber, oder?«
»Natürlich.«
Locker schlug er mir auf die Schulter. »Sie sind wirklich ein Menschenfreund, mein Junge.«
»Das hat meine Mutter auch immer gesagt.« Ich startete den Motor und jubelte dabei. »Ha, er läuft wieder!«
»Was war denn los?«
»Kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin kein Fachmann. Ich habe herumgefummelt, mal gezogen und da mal geklopft.«
»Einen Wagen werde ich mir auch zulegen müssen.«
Wir rollten auf die Straße. »Wissen Sie schon welchen?«
»Nein. Keinen großen. Ich habe einige Jahre hinter den Mauern verbracht. Was ist denn so in? Was fährt man heute?«
»Es ist internationaler geworden«, erwiderte ich. »Sogar James Bond fährt jetzt einen BMW.«
»Davon habe ich gelesen.« Er strich über seine Wangen. »Den werde ich mir aber wohl nicht leisten können.«
»Ich auch nicht.«
»Das ist ein Rover, wie?«
»Ja.«
Er nickte. »Auch nicht mehr der neuste.«
»Da haben Sie recht.«
»Sind Sie beruflich unterwegs?«
»Ich muß.«
»Was machen Sie denn?«
»Controller.«
»Hört sich komisch an.«
»Ist auch komisch. Ich muß die Läden abfahren, die zu einer bestimmten Lebensmittelkette gehören. Dort muß ich nachschauen, ob die Regale gut gefüllt sind - und so weiter. Kein angenehmer Job, vor allen Dingen nicht im Winter, aber man kann es sich eben nicht aussuchen. Andere liegen auf der Straße, aber ich habe Arbeit.«
»Da
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