0952 - Dr. Sensenmann
»Später vielleicht, aber nicht jetzt. Ich wollte nur einmal testen, wie Sie sich verhalten.«
»Und? Habe ich die Prüfung bestanden?«
»Ja.«
»Danke.«
Wir schwiegen, aber Ferrano schaute mich mit einem Blick an, der mir nicht gefiel. In seinen Augen sah ich eine gewisse Skepsis, und ich beschloß, auf der Hut zu sein. Ich wußte ja, daß er einen Arzt umgebracht hatte, kannte aber die Zusammenhänge nicht. Und nun fühlte er sich vom Geist dieses Arztes bedroht.
»Warum fragen Sie nicht, weshalb ich ihn gekillt habe?«
»Geht es mich etwas an?«
»Nein, aber die meisten sind neugierig. Sie zucken auch zurück, wenn sich derjenige, mit dem sie zusammensitzen, als Killer entpuppt. Das haben Sie nicht getan. Sie haben es einfach hingenommen, als wäre es völlig normal. Das ist schon komisch. Sind Sie so abgebrüht?«
»Überhaupt nicht. Soll ich mir jetzt an den Kopf fassen und sagen: Himmel, ich habe einen Killer mitgenommen und sitze jetzt mit ihm an einem Tisch. Das hätte ich mir früher überlegen sollen.«
»Wenn Sie das so sehen…«
»Ist es falsch?«
Ob falsch oder richtig, Ferrano kam um eine Antwort herum, denn der kleine Ober brachte unser Essen. Das Steak war wirklich gewaltig, beinahe unverschämt, so etwas zu essen. Dazu kamen noch die Bohnen und auch die Sauce. In einer separaten Schüssel lagen die kleinen gebackenen Kartoffeln, die zu meinem Hamburger nicht serviert wurden, dazu gab es normale Pommes frites. Zwischen den beiden Brötchenhälften klemmte ein saftiges Stück Fleisch. Salatblätter, Soße und Tomatenscheiben gehörten ebenfalls dazu, ebenso die Flasche Ketchup, die der Ober auf den Tisch stellte.
Wir waren zufrieden. Besonders Ferrano. Seine Augen glänzten. Er leckte sich wirklich über die Lippen, bevor er das Besteck in die Hände nahm.
Wir aßen.
Ich normal, mein Gegenüber hastig. Er hatten den Teller zu sich herangezogen und schaufelte die Fleischstücke in seinen Mund, als befürchtete er, ich könnte ihm etwas wegessen. Im Knast hatte es ihm bestimmt nicht so gut geschmeckt.
Auch das Bier trank er mit großen Schlucken, während ich mich ziemlich zurückhielt. Obwohl der Hamburger gut schmeckte, war es mir einfach zu viel, und als ich sah, wie Mickey Ferrano immer auf meinen Teller schielte, da fragte ich ihn, ob er etwas mithaben wollte.
»Wenn Sie es nicht schaffen…«
»Nein.«
»Dann her damit!«
Ich schob ihm meinen Teller zu. Er schaufelte gut ein Drittel des Hamburgers auf seinen Teller, die Fritten folgten, und er betrachtete alles mit einem zufriedenen Nicken.
Ich schob meinen Stuhl zurück und traf Anstalten, aufzustehen.
»Was ist los?«
»Ich muß mal für Königstiger.«
»Ah so.«
»Guten Hunger weiterhin.« Ich sah noch, wie er nickte und machte mich dann auf den Weg zu den Toiletten, dessen Besuch mir als Ausrede gedient hatte.
Natürlich würde ich dorthin gehen, ich hatte aber zugleich etwas anderes vor. Mein Chef, Sir James, sollte wissen, daß der Kontakt zustande gekommen war und sich die Dinge wohl erfolgreich entwickelten. Man kann über diese Handys denken, wie man will. Sie können ein Fluch sein, aber auch ein Segen. Ich brauchte mir keine Telefonzelle und keinen Apparat im Lokal zu suchen. Von der Toilette aus würde ich meinen Chef anrufen.
Ich ging durch einen Flur. Kaltes Licht breitete sich in einem fensterlosen Waschraum aus. Zwei Becken, ein Seifenspender, ein Kasten mit Papierhandtüchern an der Wand. An der Seite befand sich der Durchgang zu den Toiletten. Im Waschraum war ich allein, und als ich einen Blick in den zweiten Raum warf, sah ich auch dort niemanden.
Besser konnte es gar nicht laufen. Ich ging also schnell für Königstiger, wusch mir kurz die Hände und ging wieder zurück in den Toilettenraum, wo ich mich so hinstellte, daß ich die Eingangstür im Auge behielt.
Das Handy hielt ich bereits in der Hand und wählte. Zwar war es Mittag, aber einen Mann wie Sir James würde man kaum in der Kantine finden.
Er meldete sich auch recht bald und zeigte sich zufrieden, als er meine Stimme hörte.
»Dann leben Sie ja doch noch. Wo befinden Sie sich jetzt, John?«
Ich konnte das Lachen nicht unterdrücken, als ich ihm sagte, wo ich mich aufhielt.
»Oh, kein angenehmer Ort sicherlich, aber Sie werden Ihre Gründe dafür haben.«
»Ja, ich kann hier in Ruhe sprechen,«
»Wunderbar. Was macht Ihr Schützling?«
»Im Moment ißt er.« Mit der folgenden Erklärung faßte ich mich kurz, fügte aber alles
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