Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0952 - Nacht über New Amsterdam

0952 - Nacht über New Amsterdam

Titel: 0952 - Nacht über New Amsterdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
Vom Netzwerk:
Stunden auf dem OP-Tisch gehabt hatte, nun mit seinem Leben anstellte.
    Ja, was eigentlich? Andy sah sich um. Das Loch, in das er gestürzt war, hatte wider Erwarten wenig mit einem offenen Grab gemein. Dafür war es viel zu tief und zu ungleichmäßig geformt. Es handelte sich eher um eine Art Erdspalte, wenngleich um die mit Abstand tiefste und breiteste, die Andy seit Betreten des Prominentenfriedhofs bemerkt hatte. Andy konnte die Arme mühelos bis auf Ellbogenbreite ausstrecken, ohne die unebenen Mauern aus Erde zu berühren. Die Grasnarbe und mit ihr die Freiheit lagen gut und gerne zweieinhalb Meter oberhalb des Bodens. Schöne Scheiße.
    Andy verschwendete einige Minuten damit, vergeblich nach seiner Taschenlampe zu suchen, zuckte danach seufzend mit den Achseln und ergriff kurzerhand eine der dickeren Wurzeln, um sich an den Aufstieg zu wagen, und
    ZU MIR
    zog sich nach Kräften die kalte Wand aus Erde hinau
    KOMM ZU MIR
    f. Er musste hier raus, bevor der Tag anbrach und die Kollegen sich
    KOMM ZU MIR. SOFORT!! das Maul über ihn zerrissen.
    SOFORT!!!
    ***
    Hände, die die Wurzeln loslassen.
    Füße, die den Boden des Loches erneut berühren.
    Ein Körper, der sich umdreht, als sei er ferngesteuert. Der sich bückt. Der das Loch findet, das in der hintersten Ecke der Erdspalte wartet. Gerade breit genug, um sich hindurchzuzwängen.
    Andys Geist schreit panisch, als sein Leib erst auf die Knie geht, sich dann bäuchlings in den Morast legt und beginnt, ins Dunkel zu robben. Dem Ziel entgegen, das die körperlose Stimme in seinem Kopf ihm vorgibt.
    Minuten vergehen. Grunzend, stupide. Eine Handbreit nach der anderen. Es geht voran. Andys Körper schiebt sich durch die Röhre aus Erde, Würmern und Dreck. Buddelt sich einen Weg wie ein Maulwurf. Die Luft ist knapp und die Lunge rebelliert, doch für Rationalität ist längst kein Platz mehr in seinem Verstand. Da sind nur der DRANG und die ANGST - ersteres fremdbestimmt, letzteres zu schwach um einen Unterschied zu bewirken. Andy ist nur noch Beobachter, Gefangener im Verließ seiner selbst.
    Dann wird es hell.
    Die Röhre breitet sich aus und endet in einer Art Höhle. Er sieht sie schon von Weitem. Sie ist wunderschön.
    Licht wie schimmerndes, flüssiges Gold füllt sie aus. Warm, herzlich. Ein Licht wie ein Zuhause.
    Andykörper nähert sich ihm, grinst. Glücklich.
    Andygeist aber ahnt die Gefahr, bäumt sich auf, doch die Fesseln des DRANGS sind zu stark. Schneiden ihn. Verletzen.
    Dann sieht er das Wesen inmitten des Lichts, diesen unförmigen, unerträglichen, unheimlichen Moloch aus Grauen und Furcht… und Andygeist vergeht wie der Glühfaden einer überlasteten Birne.
    Hände, die das Licht berühren.
    Kapitel 9 - Armee der Finsternis
    Zamorra hatte das Yellow Cab kaum verlassen, da spürte er die Präsenz. Sie war wie ein Odem der Verwesung, der über der gesamten Szenerie lag. Ein Echo dessen, was jenseits der so unscheinbaren, normal wirkenden Fassade wirklich geschah.
    Sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen. Merlins Stern hatte bei Brognosian angeschlagen, weil Brognosian hier gewesen war. Weil er Kring ausgebuddelt hatte und dabei irgendetwas auf ihn abgefärbt haben musste. Etwas Böses, das hier in Inwood Hill lauerte. Wartete. Ein Echo dieser Macht musste Brognosian angehaftet haben - und hatte Merlins Stern kurzzeitig irritiert, denn der Mensch Brognosian war eindeutig nicht schwarzmagisch gewesen. Und doch hatte Schwarze Magie an ihm geklebt wie Kaugummi unter einem Schuh.
    Andy. Verflucht, Mann, wo sind Sie? Was haben Sie da angefangen?
    Leise und vorsichtig betrat der Professor den wie verlassen daliegenden Gottesacker, spähte durch die Dunkelheit und suchte nach einer Bewegung. Nach etwas, dass ihm Andys Aufenthaltsort verriet. In dieser Schwärze mochte alles lauern, da wollte er nicht unnötig Aufmerksamkeit auf sich lenken, indem er rief.
    Seine auf Extremsituationen geschulten Sinne brauchten nicht lange, sich an die Gegebenheiten zu gewöhnen. Wenige Meter jenseits der Friedhofsmauern konnte Zamorra schon Umrisse ausmachen, Grabreihen voneinander unterscheiden. Nur Leben sah er nirgends. Sollte Andy etwa in eine der Erdspalten gestürzt sein, die das letzte Beben hier offenkundig hinterlassen hatte? Angesichts dessen, was hier sonst noch auf ihn warten mochte, war das - so schlimm es klang - vielleicht sogar die bessere Alternative: Lieber bewusstlos am Boden eines Lochs, als halb tot in den Klauen eines mordlüsternen

Weitere Kostenlose Bücher