0953 - Der Vampirwolf
sein Leben verloren hat. Sie haben damit nichts am Hut. Ihnen persönlich wird man nichts ankreiden. Ist das eine Lösung? Vorläufig, meine ich natürlich.«
»Sie könnte es sein.«
»Aber…?«
»Sie gefällt mir nicht.«
Marek verzog den Mund. Jetzt hatte er in den sauren Apfel gebissen, aber er beharrte auf seinem Standpunkt.
Der Pfähler spürte die Ungeduld in sich hochsteigen. »Ich will mich nicht beschweren, Kommissar Nägele, aber ich brauche jetzt eine Entscheidung.«
Nägele senkte den Blick. Dabei hob er die Schultern, bis er schließlich nickte. »Also gut, Marek, wir brauchen eine Entscheidung. Das verstehe ich. Und ich sage Ihnen, daß ich mich entschieden habe. Sie können Ihren Willen durchsetzen.«
Der Pfähler lächelte. »Das ist gut. Sie werden es bestimmt nicht bereuen.«
Der Kommissar gab sich erstaunt. »Das klingt so, als hätten Sie die Bestie schon so gut wie gefangen.«
»Damit rechne ich.«
»Und wie wollen Sie das anstellen, zum Teufel!«
»Nicht mit des Teufels Hilfe, aber glauben Sie mir, ich habe schon meine Methoden.«
»Ja.« Nägele nickte. »Das nehme ich Ihnen auch unbesehen ab. Daran glaube ich fest.«
»Wunderbar.« Marek streckte dem Kommissar die Hand hin. »Dann werde ich wieder von mir hören lassen.«
Nägele schüttelte nur den Kopf. »Sie sind nicht nur verrückt, sondern auch lebensmüde.« Er schlug trotzdem ein. »Viel Glück, Marek, ehrlich.«
»Danke.«
Kommissar Nägele drehte sich um und verschwand. Er ging davon wie ein alter Mann.
Frantisek Marek aber atmete tief durch. Er war endlich allein, und genau das hatte er sich gewünscht.
***
Der Kommissar war kaum aus seinem Sichtbereich verschwunden, als Marek die Tür des kleinen Hauses aufzog und sich durch den Spalt in die dahinter liegende Düsternis drückte.
Er ließ die Tür ein wenig offen, so konnte er sehen, wenn sich jemand näherte, aber er selbst wurde eben nicht beobachtet, und darauf kam es ihm an.
Seine Handschuhe ließ er an, als er den Mantel aufknöpfte und die Hand in die linke Innentasche seiner dicken Stoffjacke versenkte. Dort befand sich das, worauf er sich verlassen wollte. Dem Kommissar hatte er bewußt nichts von dem Vampirpendel berichtet. Er brauchte ja nicht alles zu wissen.
Marek bewegte sich langsam, als verspürte er dabei einen gewissen Genuß. Und so ähnlich war es auch. Es ging ihm jetzt besser, denn die Jagd war eröffnet worden, und sein Instinkt sagte ihm, daß der Vampirwolf nicht zu weit entfernt in einem Versteck hockte und auf neue Opfer wartete.
Sollte sich tatsächlich in seinem Innern ein starker Vampirkeim befinden, bestand für Marek durchaus die Chance, dieses Wesen zu finden. Das Pendel würde ihm den richtigen Weg weisen.
Er hatte es jetzt hervorgeholt, hielt die Schnur mit zwei Fingern fest und schaute auf den nach unten hängenden Stein, der eine ovale Form zeigte, wobei sich auf seiner Fläche ein verzerrtes Gesicht abmalte.
Es war das Gesicht der alten Zigeunerin Zunita, einer Hexe, der es gelungen war, Vampire aufzustöbern. Man hatte sie vor langer Zeit verbrannt, und sie hatte zu dem Zeitpunkt gelebt, zu dem auch der Vampirwolf die Gegend unsicher gemacht hatte. Vielleicht waren beide sogar zusammengetroffen. Wer konnte das schon in dieser Zeit wissen?
Marek schaute sich den Stein an. Zwar fuhr der kalte Wind wie ein Eishauch durch die offene Tür, aber Marek stand so, daß er das Pendel nicht erreichte.
Der Stein hing am Band, ohne sich zu bewegen. Nichts, aber auch gar nichts tat sich, denn auch Mareks Hand zitterte nicht. Hätte sich ein Vampir in der Nähe versteckt gehalten, dann wäre das Pendel ausgeschlagen, und Marek hätte Bescheid gewußt.
So aber geschah nichts.
Der Pfähler hatte auch damit gerechnet und war deshalb nicht enttäuscht. Sicherheitshalber drehte er noch eine Runde durch den kleinen Bau, dann steckte er das Pendel wieder ein und verließ den kleinen Bau.
Vor der Tür blieb er stehen und schaute sich um, weil er dem Frieden - insbesondere dem Kommissar – nicht so ganz traute. Er konnte sich Nägele gut in einem sicheren Versteck vorstellen, von wo aus er Marek beobachtete, doch das Risiko mußte der Pfähler einfach eingehen.
Der große Güterbahnhof bot zahlreiche Möglichkeiten, um sich zu verbergen. Marek befand sich in einem Teil, wo nicht gearbeitet wurde. Hier standen zumeist die abgestellten Waggons in Gruppen auf den verschiedenen Gleisen.
Er sah Tankwagen, Spezialtransporter,
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