0953 - Der Vampirwolf
obwohl sie nicht mehr sind als seelenlose Roboter, auch wenn sie auf zwei Beinen gehen.«
»Und wie verhält es sich mit Werwölfen?«
Der Pfähler schüttelte sich in Gedanken das Eis vom Rücken. »Das ist etwas anderes. Werwölfe zerfetzen ihre Opfer, wenn ich das mal so drastisch ausdrücken darf. Sie kennen kein Erbarmen. Sie fallen über die Menschen her, aber sie konzentrieren sich dabei nicht nur auf die Kehle, wie es hier der Fall gewesen ist.«
»Und hier waren also beide am Werk?«
»Ja, zwei in einem.«
Nägele schüttelte den Kopf. Er fluchte leise vor sich hin und schaute zu, wie die Leiche abtransportiert wurde. »Der fünfte«, flüsterte er, »der fünfte Tote, und wir haben nicht den kleinsten Hinweis auf den Mörder.«
»Aber in der Theorie«, sagte Mark.
Nägele fuhr herum. »Was nützt mir das? Nichts, gar nichts. Oder können Sie mir sagen, wo Sie ihn suchen wollen? Ich kann mir nicht vorstellen, daß er sich noch hier in der Nähe aufhält.«
Der Pfähler wiegte nur seinen Kopf, was den Kommissar erstaunte. »Wieso? Denken Sie anders darüber?«
»Ein wenig schon.«
»Da bin ich gespannt.«
»Zunächst einmal möchte ich festhalten, daß ich kein Polizist bin. Ich denke oft anders, handle aus dem Gefühl heraus, aber eines ist doch Tatsache. Die Morde sind in einem bestimmten Umkreis geschehen. Nicht weit entfernt von diesem Ort, würde ich sagen.«
»Richtig.«
»Alle auf dem Bahngelände?«
»Fast. Zumindest drei. Die anderen beiden Toten fanden wir nicht weit entfernt.«
»Dann scheint er hier eine neue Heimat gefunden zu haben!« erklärte Marek.
»Meinen Sie das im Ernst?«
»Warum nicht? Das Gelände liegt günstig. Wir stehen hier auf einem gewaltigen Areal, das zudem gute Verstecke birgt. Er hat hier viele Möglichkeiten…«
»Hm.« Der Kommissar überlegte. »Warum gerade hier? Will er sich nur verstecken, oder hat er etwas anderes vor?«
»Damit müssen wir auch rechnen.«
»Ich wüßte es nicht.«
Frantisek lächelte. »Ja, das ist auch natürlich, aber ich möchte meine Phantasie spielen lassen und Sie daran erinnern, wo wir uns hier befinden.«
»Auf einem Güterbahnhof.«
»Auf dem reges Treiben herrscht, Kommissar.«
Nägele lachte plötzlich auf. »Jetzt weiß ich endlich, auf was Sie hinauswollen. Sie denken an die Fluchtmöglichkeit, die es hier gibt. Er kann sich in einem Wagen verstecken und sich irgendwo ins Nirgendwo hinfahren lassen.«
»Das sehe ich so.«
Nägele schaute den Pfähler mit seinen dunklen Augen starr an. »Dann sehen wir dumm aus.«
»Na ja, so ganz will ich das nicht unterschreiben.«
»Was hält Sie davon ab?«
Marek wollte sich nicht so recht in die Karten schauen lassen und sagte: »Sie werden sicherlich einen Plan haben, denke ich.«
»Keinen genauen.«
»Woran haben Sie denn gedacht?«
»An eine Überwachung des Geländes hier. Und zwar Tag und Nacht. In dieser Falle sollte sich die Bestie verfangen.«
Der Pfähler lächelte nur. »Glauben Sie wirklich, daß er so dumm sein wird?«
»Ich weiß, der Plan hat Tücken, aber ich habe keine bessere Möglichkeit gefunden.«
»Lassen Sie es sein, Kommissar!«
»Gut gebrüllt, Löwe. Aber ich kann mich nicht hinsetzen und die Hände in den Schoß legen.«
»Doch, können Sie!« Mareks rechter Zeigefinger schnellte vor. »Das können Sie ohne weiteres.«
»Würden Sie mir das erklären?«
»Immer. Geben Sie mir die folgenden Stunden und auch die der nächsten Nacht. Dann sehen wir weiter.«
Nägele holte tief Luft. Er strich dabei über seine Mütze. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, obwohl Sie nur indirekt gesprochen haben, wollen Sie sich in der folgenden Zeit hier auf dem Gelände herumtreiben und nachschauen.«
»Das hatte ich vor.«
»Sie hoffen darauf, daß er wieder zurückkehrt.«
»Ja.«
»Und dann?«
»Werden wir sehen.«
Der Kommissar zierte sich. Er verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Verdammt noch mal, das ist zwar alles gut und schön, aber das kann ich auf keinen Fall verantworten, Marek.«
»Warum nicht?«
»Es geht nicht. Ich bin für Sie verantwortlich. Wenn ich sie als sechstes Opfer hier finde, dann…«
»Moment mal. Das ist nicht sicher. Außerdem sollten Sie daran denken, daß Sie es gewesen sind, der mich geholt hat. Sie allein, Kommissar, ohne Rückendeckung ihrer Vorgesetzten. Es weiß doch niemand von meinem Auftauchen, oder?«
»Das stimmt schon.«
»Jemand, der von außerhalb hergekommen ist und
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