0954 - Die Stunde des Pfählers
eine Hexe und eine Vampirin, aber an den Hexenthron kam auch sie nicht heran, denn dort lauerte Lilith und verteidigte ihn mit allem was sie hatte.
Wir gingen auf die Person zu. Es war nicht weit, nur wenige Schritte. Kaum waren wir in ihre Nähe gekommen, da veränderte sich der Geruch. Wir nahmen diesen Hauch von Moder wahr, der uns entgegenwehte. Er gehörte zu diesen alten Vampiren wie das Parfüm zum Model.
Auf dem Boden lag noch immer der Mieter, der nur langsam erwachte.
»Wir sollten uns beeilen«, sagte Assunga.
Suko und ich gingen den letzten Schritt.
Der Mantel war offen. Wir traten dicht neben Assunga. Wir spürten sie, die Nähe gefiel mir gar nicht. Ich merkte, daß sich mein Kreuz leicht erwärmte, aber die dicke Kleidung hielt doch einiges ab.
Assunga schloß den Mantel!
Beide waren wir gefangen.
Und in dem Augenblick, als er zuklappte, da verschwand die normale Umgebung, als hätte man sie blitzartig ausgelöscht…
***
Frantisek Marek wußte genau, daß er kaum eine zweite Chance bekommen würde, wenn er es jetzt nicht schaffte, die Bestie beim ersten Angriff zu erledigen.
Und während er auf den Vampirwolf zurannte und dabei die Entfernung blitzartig verkürzte, rannen die Ereignisse der letzten Stunden wie ein schnell gezogener Filmstreifen an seinem geistigen Auge vorbei.
Kommissar Goran Nägele hatte ihn alarmiert, weil es in einer bestimmten Umgebung von Bukarest zu schrecklichen Morden gekommen war. Eine Bestie schien gewütet zu haben. Sie hatte die Menschen buchstäblich zerrissen, vor allen Dingen in Höhe des Halses.
Nägele hatte sich nicht mehr anders zu helfen gewußt, als Marek zu holen, obwohl er da außerhalb seiner Dienstanweisung gehandelt hatte. In diesem Fall heiligte der Zweck die Mittel, und es war gut, daß sich der Pfähler den letzten Toten angeschaut hatte.
Er wußte plötzlich Bescheid, denn er erinnerte sich an ein Schreiben, das er vor einiger Zeit bei einem Trödler erworben hatte. In diesem Pergament war von einem Vampirwolf geschrieben worden, der zu Zeiten des Grafen Dracula die Gegend unsicher gemacht hatte. Seine Opfer hatten ebenso ausgesehen. Obwohl ein mutiger Pfarrer und seine Helfer diese Bestie gefangen und begraben hatten, war ihr dennoch die Flucht gelungen.
Jetzt war sie wieder aktiv geworden, das hatte Marek dem Kommissar gesagt. Der allerdings war ziemlich skeptisch gewesen, hatte ihm aber trotzdem freie Hand gelassen.
Durch sein Vampirpendel war Marek der Bestie auf die Spur gekommen, die sich auf dem Dach eines Waggons versteckt hatte, in dem Marek die Fahrt nach Norden mitmachte.
Zwei blinde Passagiere, zugleich Todfeinde, denn der Vampirwolf hatte die Holzverkleidung des Dachs aufgerissen und war in den Wagen hineingesprungen.
Noch lag er am Boden, als Marek auf ihn zurannte, und der mußte wirklich die Gunst des Augenblicks nutzen.
Aber die Bestie war schlau. Sie hatte den Feind gespürt und dementsprechend reagiert.
Sie rollte sich auf den Rücken, die kalten Raubtieraugen in ihrer Vampirfratze weit aufgerissen, und sie sah deshalb auch den Schatten des Mannes, der auf sie niederfiel.
Ein etwas verzerrter Schatten, der gefährlich, auf jeden Fall ungewöhnlich zu sein schien.
Marek hatte seinen Pfahl gezogen. Er wollte mit einem Stoß alles vernichten, und das wußte auch der Vampirwolf.
Er hatte sich so klein wie möglich gemacht, dabei die Krallen ausgefahren, und es war ihm gelungen, einen der Säcke von der Ladung wegzuzerren. Als Marek zustoßen wollte, wuchtete er ihn herum und stemmte ihn zugleich in die Höhe.
Frantisek konnte die Richtung nicht mehr ändern. Plötzlich befand sich der mit Metallspänen gefüllte Sack zwischen ihm und der Bestie. Einen Moment später traf der Pfahl das Ziel.
Leider nicht das Untier. Er rammte in den Sack hinein. Die Spitze hatte den Stoff durchdrungen und ein großes Loch hinterlassen. Beinahe bis zur Hand war der Pfahl im Inhalt verschwunden. Marek hörte ein kratzendes Geräusch. Metallteile schrammten zusammen. Ihn störte es nicht, daß er auf dem Sack landete und zurückfederte. Für ihn zählte allein die Tatsache, daß er es nicht geschafft hatte, die Bestie zu erwischen.
Nur darum kreisten seine Gedanken, während er sich verzweifelt bemühte, eine andere Position einzunehmen, denn jetzt war die Bestie im Vorteil.
Marek kämpfte noch immer mit der Unterlage. Er stieß sich mit der freien Hand ab. Er wollte sich zugleich zur Seite drängen, fiel dabei aber unglücklich und
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