0955 - Der Gruftie
Wahrscheinlich war er vor der Tür stehengeblieben, und Bill konnte sich auch den Grund ausmalen. Es war durchaus möglich, daß er die Feinde gerochen hatte. Bei derartigen Gestalten mußte man mit allem rechnen, denn sie waren einzig und allein auf Menschen fixiert.
Sekunden verstrichen, und es war nur das Atmen der beiden Menschen zu hören. Bill spürte Sheilas Hand an der seinen. Ihre Finger waren kalt wie Eis.
»Wir kommen hier raus!« sagte der Reporter. Er hatte das letzte Wort kaum gesprochen, als ihre Chancen rapide sanken, denn der Unheimliche hatte eine Knochenhand auf die Klinke gelegt.
Er drückte sie nach unten!
Bill und Sheila schauten zu, wie sich die Klinke bewegte. Nicht sehr schnell, sondern eher langsam, als wüßte er genau, wie er die Spannung erhöhen konnte.
Die Tür schwang auf.
Sie glitt den beiden Menschen entgegen, die sich nicht bewegten und den Atem anhielten. Ihre Augen waren groß geworden, der Blick auf einen imaginären Fleck irgendwo vor ihnen gerichtet.
Wenn der Gruftie die Tür ganz herumstieß, würden sie automatisch von ihr berührt werden, und so etwas würde der andere auch merken.
Noch befand sich die Tür in Bewegung. Aber sie glitt sehr langsam auf Bill und Sheila zu, die nur abwarten konnten, nicht mehr. Sie vertrauten auf ihr Glück.
Bill hatte sich bereits mit dem Gedanken vertraut gemacht, gegen den Gruftie zu kämpfen. Mit bloßen Händen wollte er das nicht. Seine Blicke konzentrierten sich auf die Messer, die er in einem Holzgestell stehen sah.
Die Tür stoppte.
Sie war nicht so weit herumgeschwungen, daß Sheila und Bill von ihr berührt wurden. Auf einmal war Schluß, und Bill spürte, wie er für einen Moment erleichtert war.
Sheila hatte das gleiche Gefühl erfaßt, allerdings verschwand es bei beiden, als sie das Geräusch hörten. Diesen harten Tritt, der allerdings auf der Stelle trat, denn der Gruftie brachte es nicht fertig, die Küche zu betreten. Ein Blick hatte ihm gereicht. Sie war leer, aber er kümmerte sich nicht um die beiden Menschen, die er zwar nicht sah, aber sicherlich riechen konnte.
Kam er? Kam er nicht?
Wieder verstrich Zeit. Für die Conollys dehnte sie sich beinahe endlos. Sie hatten Mühe, ruhig zu bleiben, und ihre lange Starre verwandelte sich in eine zitternde Nervosität.
Er bewegte sich.
Aber er ging nicht nach vorn, sondern zurück. Beide wollten es kaum glauben, doch es stimmte tatsächlich.
Als hätten sie sich abgesprochen, stießen sie gleichzeitig die Luft aus. Sie schauten sich an. Bills Gesicht war mehr starr, das seiner Frau wirkte verzerrt, aber Sheila versuchte es bereits mit einem knappen Lächeln. Sie hob den Arm, und sie ballte die rechte Hand dabei zur Faust. Ein Zeichen, daß sie gewonnen hatten.
Bill stöhnte auf. Auch er war kein Supermann. Gefühle durchlitt er ebenso wie andere Menschen, und diesmal war der Kelch, aus welchen Gründen auch immer, an ihnen vorbeigegangen.
Der Gruftie wanderte weiter.
Sheila ging einen Schritt nach vorn. Sie stützte sich am Kühlschrank ab, drehte sich dann ihrem Mann zu und wischte ihr Gesicht ab. Dabei schüttelte sie den Kopf. »Das war knapp, mehr als knapp.«
Bill stimmte ihr durch ein Nicken zu. »Aber es ist noch nicht vorbei, Sheila, denk an die anderen. Wir müssen ihn stoppen.«
»Kannst du das?« Sie hatte die Stirn in Falten gelegt und zeigte ihre Skepsis an.
»Einen Versuch wäre es wert. Aber ich denke, da werden wir John und Jane Bescheid geben.«
»Okay.«
Bevor sie die Küche verlassen konnte, streckte Bill seinen Arm aus und hielt sie zurück. »Moment, das erledige ich.« Er schaute in den Flur. Bill bewegte dabei seinen Kopf nach links und nach rechts, und er gab Sheila mit der Hand ein Zeichen.
Sie wußte, daß die Luft rein war.
Im Flur war es auch still geworden. Aus einem anderen Raum hörten sie keine Stimmen mehr. Zwischen den Wänden lag eine kompakte Ruhe wie eine zweite Wand.
»Gehen wir«, sagte Bill. Beide sahen sie den Gruftie nicht mehr, aber sie waren davon überzeugt, daß diese Gestalt vorerst nicht in ihr Grab zurückklettern würde.
Wie recht sie hatten, hörten sie wenig später. Denn die Schreie waren bestimmt keine der Freude…
***
Douglas Watermans Arbeitszimmer war groß und wirkte durch die dunklen Möbel düster. In den Regalen standen zahlreiche Bücher, auf dem Boden lagen dicke Teppiche, der Schreibtisch mitten im Raum bestand aus einem Halbkreis und wirkte wie ein dunkler Halbmond, auf dem noch ein PC
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