0955 - Der Gruftie
denn er hat immer davon gesprochen. Von seinem anderen Leben.«
»Das Leben als Toter.«
»So ähnlich. Er war kein Freund des Körpers. Der war für ihn ein Nichts. Im ging es um den Kopf, das Gehirn und damit auch den Geist. Er wollte es behalten, und ich weiß nicht genau, was er getan hat in dem fremden Land. Es war irgend etwas Schlimmes und etwas anderes. Es muß mit einem Trank oder mit einer Salbe zusammengehangen haben. Gordon hat sich da nie so genau ausgelassen, aber er war immer der Meinung, daß die alten Völker einen Weg gefunden hatten, um den Tod zu überwinden.«
»Das sagte er Ihnen.«
»Ja, Mr. Sinclair.«
»Und was noch?«
»Er weihte mich nicht ein, aber er hat trotzdem von einer Zukunft gesprochen.«
»Wie das?« fragte Jane. »Die Zukunft, die ein Toter haben soll? Das will mir nicht in den Kopf. Da stimmt doch was nicht, Mr. Waterman. Das müssen auch Sie einsehen.«
»Ja, natürlich. Aber machen Sie etwas dagegen! Ich bin doch kein Eingeweihter. Ich bin nicht informiert worden. Ich war nicht in einem fernen Erdteil, um dort Forschungen zu treiben. Das alles hat mein Bruder getan, verflucht! Er hat sich dort mit Medizinmännern unterhalten. Er muß von ihnen in gewisse Geheimnisse eingeweiht worden sein. Sie haben ihn als Fremden daran teilhaben lassen. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen. Ich weiß nicht, was er geschluckt hat, um einen Tod herbeizuführen. Einen geheimnisvollen Trank… Verflucht noch mal, ich komme damit nicht zurecht. Jedenfalls wußte er, daß er auf eine bestimmte Art und Weise sterben mußte, um nach einem alten Ritual zu überleben.«
Jane schaute mich an. »Das ist gar nicht so weit hergeholt. Denk daran, daß wir dieses Phänomen schon einmal bei Hexen erlebt haben.«
Das stimmte, aber es lag lange zurück. Nur hatten wir diesen Fall nicht in einem anderen Erdteil erlebt, sondern hier, aber möglich war alles. Auch eine frühgeschichtliche Kommunikation über Weltmeere hinweg.
»Sie haben diesen Trank aber nicht gefunden, Mr. Waterman?«
»Nein, ich glaube auch nicht, daß er ihn mitgebracht hat. Oder er hat ihn weggeworfen. Meiner Meinung nach hat der Keim des Todes schon auf der Überfahrt oder beim Flug in ihm gesteckt. Er wuchs sehr langsam und hat hier sein Ziel erreicht. So jedenfalls habe ich es mir vorgestellt.«
»Und Ihr Bruder Gordon wollte beerdigt werden? Hier bei Ihnen? Hier auf dem Grundstück?«
»Ja.«
»Das ist verrückt.«
»Ich weiß es. Aber machen Sie was daran. Ich jedenfalls bin damit nicht zurechtgekommen. Ich habe ihm sein Grab geschaffen. In einer dunklen Nacht ist er, bevor er richtig verweste, in dieses Grab hineingestiegen. Ich habe ihn gehen sehen, ich bin ihm dann nachgelaufen und habe zugeschaut, wie er hineinstieg.«
»Das muß schlimm für Sie gewesen sein«, sagte Jane.
»Und ob, und ob.« Waterman nickte. »Ich erinnere mich noch an Gordons letzte Worte. Er sprach davon, daß nicht alles tot ist, was unter der Erde liegt und ich durchaus damit rechnen könnte, ihm das eine oder andere Mal zu begegnen.«
»Geschah das denn?« wollte ich wissen.
»Ja.«
»Wann und wie?«
»Vor gut zwei Monaten tauchte er zum erstenmal auf. Er irrte durch den Garten. Ich glaubte, verrückt zu werden oder einer Sinnestäuschung erlegen zu sein, aber ich bin dann nach draußen gegangen und habe mit ihm gesprochen.«
»Richtig unterhalten?« fragte Jane.
»Klar.« Waterman schwitzte jetzt. »Mein Bruder erklärte mir, daß ich ihn nicht los wäre. Daß er zurückkommen würde. Immer und immer wieder. Wann es ihm paßte.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das ist wirklich außergewöhnlich. Kam er denn auch?«
»Ja. Sogar in mein Haus.«
»Und?«
»Ich konnte nichts tun. Er erklärte mir auch, daß er mit einer Kugel nicht zu töten war. Er fühlte sich wohl, und ich hatte ein Problem. Ich mußte ihn loswerden, denn er tauchte auch auf, wenn ich Gäste hatte. Bisher gelang es mir immer noch, ihn vor den Gästen zu verbergen, aber das ist nun vorbei. Er ist ausgerechnet an diesem Tag zurückgekehrt, wo ich hier diese Feier gebe. Aber ich hatte es satt, deshalb engagierte ich Miß Collins. Sie hat es auch nicht geschafft. Das soll kein Vorwurf gegen Sie sein«, schränkte er sofort ein. »Aber ich habe Angst. Ja, ich habe Angst, daß er mir auf die Schliche gekommen ist, und mich nun holen möchte, wie er es ja bei Ihnen schon versucht hat, Miß Collins.«
»Das kann ich nachvollziehen«, sagte Jane. Als er weitersprach, schaute
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