0955 - Der Gruftie
herbei, irgend jemand hatte die Nachricht über diesen Gag verbreitet.
Der Bodyguard war in die Nähe des Grufties gelangt. Er hatte seine Arme ausgestreckt, um ihn zu packen. Aber der Knöcherne bewegte sich blitzschnell. Bevor sich die Hände um das Gerippe legen konnten, schnellten seine Knochenarme in die Höhe. Sie schlugen gegen die des Mannes und droschen sie zur Seite.
Der Bodyguard war für einen Moment so überrascht, daß er nichts machen konnte.
Aber der Gruftie schlug zu.
Der rechte Knochenarm schnellte nach vorn. Die dünnen, bleichen Finger waren ausgestreckt, wobei die Spitzen genau auf das Gesicht des Mannes zielten und es auch trafen.
Der Aufpasser spürte den Schmerz. Blut lief über sein Gesicht, und die Furchen in seiner Haut schmerzten, als hätte man eine Säure hineingespritzt.
Plötzlich taumelte der Mann zur Seite. Er war blind, weil ihm das Blut in die Augen gesickert war.
Er hörte die gellenden Schreie der anderen Gäste, aber er sah nicht, daß Sheila und Bill Conolly im Bereich des Eingangs erschienen waren. Sie konnten erkennen, wie der Leibwächter taumelte, als wäre er betrunken. Aus dem Hintergrund kam sein Kollege. Er griff das Skelett an. Bill wollte ihn noch warnen, aber er war zu schnell, und der Gruftie hatte sich auf ihn eingestellt.
In seinem Gesicht strahlte sogar Triumph, als er den Mann packte, ihn anhob wie ein Leichtgewicht und dann gegen die Wand schleuderte, wobei der Körper noch andere mitriß, die ihm im Weg standen.
Das Chaos war perfekt!
Der Leibwächter dachte trotz seiner Verletzungen an seinen Job. Er lief weg, weil er seinen Chef einfach warnen mußte. Mit schweren Schritten taumelte er weiter, während das Blut weiterhin aus seinen Wunden hervorpumpte.
Er wandte sich dabei in eine Richtung, die Bill und Sheila nicht kannten. Wahrscheinlich lagen dort die Privaträume des Douglas Waterman, die auch für den Gruftie interessant waren, denn er nahm diesen Weg ebenfalls.
Er holte den Bodyguard nicht ein, blieb ihm aber auf den Fersen. Das wollten auch die Conollys.
Nur war es schwer für sie, so schnell zu laufen, wie sie es sich vorgestellt hatten. Im Bereich des Eingangs herrschte Chaos. Die Gäste, allesamt angetrunken, hatten ihren klaren Kopf verloren. Daß es kein Spaß war, zeigten ihnen auch die Blutlachen auf dem Boden. Ein Mann riß die Eingangstür auf.
Luft - eisig wie aus einem Grab - wehte in das Haus hinein und durchströmte die Wärme.
Einige Menschen rannten nach draußen, obwohl sie zu leicht bekleidet waren. Das aber war ihr Problem. Sheila und Bill bahnten sich einen Weg, wobei der Reporter seine Fäuste einsetzte, um freie Bahn zu bekommen.
Sheila blieb dicht hinter ihm. Sie mußte einem Mann ins Gesicht schlagen, der sie festhalten wollte, dann hatten sie es geschafft und blieben den beiden auf den Fersen.
Jeder von ihnen hoffte, daß der Gruftie dorthin lief, wo sich auch Jane Collins und John Sinclair aufhielten…
***
Ich hatte den Gruftie bisher nur indirekt kennengelernt, nun aber sah ich ihn zum erstenmal, und mir blieb wirklich für einen Moment der Atem weg. Beschrieben worden war er mir ja schon. Ihn selbst von Angesicht zu Angesicht zu sehen, war schon etwas anderes, denn diese Gestalt sah wirklich scheußlich aus.
Da saß ein Kopf mit hellen Haaren auf einem skelettierten, noch nicht ganz verwesten Körper, denn an den Knochenteilen klebten noch letzte Haut- oder Fleischreste. Die Haut im Gesicht war noch vorhanden, aber auch sie hatte gelitten, denn in sie hinein waren Furchen und Rillen hineingegraben worden. Zudem bedeckte der Schmutz aus dem Grab die Gestalt von oben bis unten.
Das Arbeitszimmer war groß. So konnte es dieser Gruftie betreten, ohne uns unmittelbar zu bedrohen. Uns blieb noch Zeit, vor allen Dingen mir, denn ich zog zunächst die Beretta. Aber ich konnte nicht auf ihn zielen, denn Douglas Waterman sprang von seinem Sessel auf und stellte sich genau in die Schußlinie.
»Gordon!« ächzte er. »Verdammt noch mal, Gordon! Was tust du denn?« Er wußte nicht mehr, was er tat, ging einen Schritt vor, und es sah aus, als wollte er seinen Bruder stoppen.
»Nein, nicht!« schrie ich.
Waterman hörte nicht. Er hatte sich an der rechten Seite des Sessels vorbeigeschoben und ließ sich von einem Weg nicht abbringen. An der Tür erschienen plötzlich die beiden Conollys. Ihr Erscheinen lenkte mich von meinem eigentlichen Vorsatz ab, denn ich hätte die Chance gehabt, sofort zu schießen.
Jane
Weitere Kostenlose Bücher