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0955 - Der Gruftie

0955 - Der Gruftie

Titel: 0955 - Der Gruftie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Collins saß auch nicht mehr auf ihrem Platz. Sie kniete neben dem Leibwächter und schaute nach seinen Wunden. Der Mann war zwar schwer verletzt worden, aber er lebte noch und jammerte leise vor sich hin.
    Douglas Waterman war einfach zu schnell gewesen. Plötzlich war es aus ihm hervorgebrochen. Er konnte seinen Gang nicht mehr stoppen, er lief auf Gordon zu, sprach ihn an, deckte ihn, und ich bewegte mich weiter zur Seite, um in eine bessere Schußposition zu gelangen. Dabei winkte ich mit der freien Hand Bill Conolly zu. Er verstand das Zeichen und blieb zusammen mit Sheila nahe der Tür.
    Die beiden Brüder standen zusammen. Sie starrten sich an. In diesem Augenblick entwich auch bei mir ein Teil der Spannung. Ich hielt mein Feuer zurück, weil ich sehen wollte, was geschah.
    Sollte der eine den anderen angreifen, konnte ich noch immer einschreiten.
    Die Szene hatte plötzlich nichts Gewalttätiges mehr an sich. Es erinnerte mich mehr an eine Tragik, an etwas Trauriges. Familienbande, die plötzlich zerrissen war.
    Dort standen sich zwei gegenüber, die nicht aus ihrer Haut herauskonnten. Auf verschiedenen Seiten einer Existenzebene hielten sie sich auf, und obwohl sie so nah zusammen waren, gab es zwischen ihnen trotzdem einen breiten Graben.
    Sie starrten sich erst einmal nur an. Ihre Gesichter hatten nur eine entfernte Ähnlichkeit, Halbbrüder eben.
    »Was hast du getan, Gordon? Kannst du reden? Kannst du denn noch immer sprechen?«
    Der Gruftie nickte.
    »Dann sag mir, was du hier willst.«
    Zum erstenmal hörten wir ihn sprechen, und wir hielten den Atem an, als er seine Worte ausstieß.
    »Ich bin gekommen, um dich zu holen, Bruder. Ja, ich will dich holen. Du sollst zusammen mit mir hinabsteigen in mein Grab.«
    »Nein, nein. So war es nicht abgemacht, Gordon!« protestierte Waterman. »Du bist gekommen. Du hast mich um einen Gefallen gebeten. Ich habe dir ein Grab eingerichtet, in dem du deine Heimat gefunden hast. Ich - ich allein.«
    »Das mußtest du.«
    »Ich hätte es auch lassen können, ich…«
    »Nein, nie!« Seine Stimme klang flüsternd, aber auch grollend. Als käme sie von irgendwoher, nur nicht aus seinem Mund. »Du hättest es nicht lassen können. Wir sind Halbbrüder, wir sind miteinander verbunden. Wir haben einen gemeinsamen Vater. In deinen Adern fließt auch etwas von meinem Blut, das muß dir klar sein. Ich habe es dir auch gesagt, oder hast du das vergessen? Wir sind miteinander verbunden, du weißt es, aber du ahnst nicht, wie stark dieses Band ist.«
    »Nie! Niemals…«
    »Rede nicht. Das Band ist stark. Solange ich lebe, wirst du auch leben. Wenn ich jedoch sterbe, ist es auch dein Tod, Bruder. Das ist das Band, das uns beide hält!«
    Nach dieser Eröffnung war nicht nur Waterman überrascht, auch wir alle glaubten, unseren Ohren nicht trauen zu können. Aber weshalb sollte er gelogen haben? Es gab keinen Grund dafür. Er brauchte hier nicht zu spielen, und das Blut der Menschen ist nun mal ein besonderer Saft, das stand fest.
    Wie froh war ich, nicht geschossen zu haben. Die geweihte Silberkugel oder zumindest das Kreuz hätte dieser Gestalt ein Ende gesetzt, zugleich auch den echten und normal lebenden Waterman mit in den Tod gerissen.
    Jetzt steckten wir in einer Klemme. Wir spürten plötzlich, daß es eine Sache zwischen den beiden Brüdern allein war, und Jane sprach aus, was ich dachte.
    »Wir stören hier nur, John.«
    Ich nickte.
    Douglas Waterman hatte seine Überraschung verdaut oder zumindest einen Teil davon. Wir hörten ihn stöhnen. Er suchte nach Worten. Es dauerte, bis er sie gefunden hatte. »Wieso bist du nur…?«
    »Mein Blut, dein Blut, das auch in mir fließt, und der Trank der Zauberer haben diese Verbindung geschaffen. Einer kann nicht mehr ohne den anderen sein. Du wirst mit mir leben müssen - und ich mit dir, Bruder. So ist es. Das Schicksal hat es beschlossen.«
    Waterman war fertig. Er drehte den Kopf. Sein hilfesuchender Blick erwischte uns, aber auch wir konnten ihm nicht zur Seite stehen. Er war durch seinen Bruder vom Schicksal gezeichnet worden und mußte sich damit abfinden.
    Der Gruftie hatte die Bewegung seines Bruders gesehen. Das Lachen schien direkt aus seinen Knochen zu stammen und fegte als vibrierendes Geräusch durch das Zimmer. »Auch wenn du versucht hast, dir Helfer zu holen, sie können den Bann nicht brechen. Ich habe die Kraft dieses Kreuzes tief in meinem Grab gespürt. Andere hätten es zerstört, aber ich habe meine Macht

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