0956 - Die Todeszone
Rotor schon auf Hochtouren lief.
Zamorra zwang sich, seinen Körper zu entspannen und keinen Widerstand zu leisten. Jede Gegenwehr würde nur umso heftigere Gegenreaktionen nach sich ziehen. Er musste den richtigen Moment abwarten. Und dann ohne Zögern zuschlagen.
Kräftige Arme schoben ihn über die Ladeluke ins Innere des Helikopters und pressten ihn auf eine ungepolsterte Bank. Nicole wurde ihm gegenüber platziert. Zum ersten Mal seit ihrer Gefangennahme konnten sich die beiden Dämonenjäger direkt ins Gesicht sehen. Nicole war ebenfalls geknebelt, ein dickes Veilchen am rechten Auge zeugte von dem harten Kampf, den sie ihren Gegnern geliefert haben musste. Nicole schien starke Schmerzen zu haben. Trotzdem zwinkerte sie Zamorra aufmunternd zu.
Dann wurde eine weitere Frau in den Helikopter geschoben und neben Nicole auf die Bank gedrückt. Es war eine hübsche junge Latina, die die beiden Franzosen mit schreckensgeweiteten Augen ansah. Sie trug ein Sepultura-T-Shirt und bequeme Turnschuhe.
Die echte Paula Vásquez , schoss es Zamorra durch den Kopf. Wortlos legten die Soldaten ihren Gefangenen Halsschlingen, Handschellen und Fußfesseln an, die durch schwere Ketten miteinander verbunden wurden. Der Kopf wurde durch die straffen Ketten gewaltsam nach unten gezwungen, die Hände ließen sich kaum einen Millimeter bewegen. Dann wurde die Welt um Zamorra abermals schwarz, als einer der Soldaten eine Kapuze über seinen Kopf zog.
Mühsam unterdrückte der Parapsychologe seine Panik, als sich jemand an seinem linken Arm zu schaffen machte. Er zwang sich, ruhig zu atmen und nicht zu verkrampfen, als die Injektionsnadel seine Vene durchstach. Er wurde hart gegen die Bank gepresst, als der Helikopter dem Unwetter trotzte und sich mit brüllendem Motor in den Himmel erhob. Dann tat die Injektion ihre Wirkung, und der Dämonenjäger verlor abermals das Bewusstsein.
***
Departamento Caquetá
Beragol bewegte sich zielstrebig entlang der Flüsse landeinwärts. Nur selten verließ er das schützende Wasser, um von einem Strom zum anderen zu wechseln oder im Schutz der Dunkelheit zu jagen. Je weiter er die dichter besiedelten Regionen hinter sich ließ, desto drängender wurde der Ruf , sodass er das Tempo noch erhöhte, um sein Ziel möglichst schnell zu erreichen. Schließlich legte er kaum noch Pausen ein. Er würde Zeit genug haben, sich zu erquicken, wenn er am Ende seiner Reise angelangt war.
So wäre er beinahe achtlos an dem einsamen Vorposten der Zivilisation am Ufer eines Seitenarmes des Rio Caquetá vorbeigeschwommen. Es handelte sich um ein einfaches, solides Gebäude aus Holz und selbst gebrannten Ziegeln, das gleichermaßen als Umschlagplatz für die wichtigsten Güter des Lebens, Poststation, Restaurant und Pension diente. Hier gab es eigentlich nichts, was für den Dämon von Interesse war. Doch eine flüchtige Wahrnehmung ließ ihn plötzlich innehalten. Er trieb auf der Stelle, hob vorsichtig den unförmigen Kopf aus dem Wasser und schnupperte.
Ein vertrauter Geruch durchsetzte die Luft, schwach, aber unverkennbar. Der Geruch von menschlichem Blut.
Vorsichtig näherte sich der Dämon dem Steg, an dem mehrere Motorboote und zwei Kanus vertäut waren. Er packte die roh behauenen Bohlen, zog den massigen Körper aus dem Wasser und sah sich um. Heller Lichtschein drang durch die Ritzen der geschlossenen Fensterläden nach außen, aber bis auf ein undefinierbares Kratzen und Schaben störte kein Geräusch die nächtliche Stille.
Seltsam.
Der Geruch wurde stärker, je näher er dem Gebäude kam. Was mochte da drinnen vor sich gehen? Beragol würde es herausfinden. Mit einem kräftigen Fußtritt zertrümmerte er die massive Eingangstür und brüllte fröhlich: »Überraschung!«
»Hallo, Kumpel«, sagte ein Typ am Tresen und prostete ihm mit einem Bier zu. Er war ein Werwolf, und sein Glas war blutverschmiert. Der Raum war übersät mit zerfetzten Leichen, an denen sich mehrere niedrigrangige Dämonen und schwarzblütige Hilfskreaturen gütlich taten.
»Ich wollte ja eigentlich so kurz vor dem Ziel keine Pause mehr machen, aber die Jungs hatten Hunger«, sagte der Werwolf leutselig. »Magst du auch ein Bier?«
***
Als Zamorra erneut zu sich kam, befand er sich in einem karg eingerichteten Raum. Er glich den Verhörzimmern, die er aus unzähligen Polizeiserien kannte. Ein langer Tisch und sechs Stühle waren die einzigen Möbel. An der Decke entdeckte er in jeder Ecke kleine, bewegliche Videokameras,
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