0958 - Der Keller
und…«
»Was geschah mit Ihnen, Frau Behle?«
»Das habe ich den Bullen schon gesagt.«
»Wir würden es gern noch einmal hören.«
»Glaubt Ihr den Bullen nicht?«
»Manchmal ist es besser, wenn man es von der Person hört, die echt betroffen ist.«
»Das war Karl auch.«
»Wer ist das?« fragte ich.
»Der Kumpel, den es erwischt hat. Die Bullen haben euch davon nichts erzählt?«
»Nein.«
»Er war nur noch ein blutiger Klumpen, als er in der Kabine des Paternosters hockte.«
»Ein Paternoster, der funktionierte?« hakte ich nach.
»Ja, auf einmal. Mitten in der Nacht.« Sie schaute zur Decke und versuchte dabei, die rumpelnden Geräusche nachzumachen, die dieser Aufzug verursacht hatte. »Es kam mir vor, als wäre er aus der Hölle gekommen.« Sie deutete ein Nicken an. »Ja, es ist durchaus möglich, daß in der Tiefe des Hauses die Hölle liegt und von einem Teufel verlassen wurde, der mich gepackt hat.«
»Können Sie das genau erklären?«
»Warum denn, Sinclair?«
»Und nicht nur das«, sagte ich. »Am besten wird es sein, wenn Sie von vorn anfangen.«
»Das kann ich nicht ohne einen Schluck.«
»Wo steht das Wasser?«
»Neben dem Bett.«
Wir fanden dort eine Flasche. Ich schenkte ein hohes Glas voll und drückte es der Frau zwischen die verletzten Hände. Die Haut war rissig geworden, und auch sonst hatte sie stark gelitten.
Gisela Behle trank. Nach dem dritten Schluck ging es ihr besser. Zwar mußte sie aufstoßen, aber sie hatte ihre Stimme klären können. Mit dem Blick auf das Fenster gerichtet, dessen Glas zur Hälfte trübe war, fing sie an zu reden.
Wir hörten sehr genau zu und erfuhren die Geschichte einer schrecklichen Nacht. Wir merkten uns die Beschreibungen gut, die Gisela Behle von sich gab, und wir unterbrachen sie nicht durch irgendwelche Zwischenfragen. Als sie von der Entdeckung ihres Kumpels erzählte, fing sie an zu weinen, und sie weinte auch, während sie von der Attacke auf sich selbst sprach und dieser grauenvollen Gestalt, die wie aus dem Nichts erschienen war. Sie hatte es trotzdem geschafft, ihr zu entkommen, sie war geflohen und zum Glück von einigen Männern gefunden worden, die sie dann in die Obhut eines Notarztes übergeben hatten.
»Jetzt wißt ihr alles«, sagte sie. Die Frau trank ihr Glas leer und stellte es weg. »Es hat mich erwischt, und ich weiß jetzt, daß man den ärmsten Schweinen noch immer etwas wegnehmen kann. Ein Stück Körper oder das Innenleben. Niere, Milz, wie auch immer. Das verdammte Leben taugt einfach nichts.«
Wir konnten ihr nicht widersprechen, aber wir hingen tief in unseren Gedanken und mußten davon ausgehen, daß auch die anderen Verschwundenen Opfer dieses schrecklichen Mörders geworden waren, der in diesem verdammten Bau hockte.
»Was sagt ihr denn?« fragte die Verletzte.
»Nicht viel«, gab Harry zu.
»Glaubt ihr mir?«
»Ja.«
»Was?« Plötzlich war sie munter. »Ihr glaubt mir? Ihr glaubt mir wirklich?«
»Warum nicht?«
»Das hat bisher keiner getan, Sinclair. Man hat mich für eine alte Spinnerin gehalten, für eine, die ihr Gehirn versoffen hat. Man war sauer auf mich, man dachte, daß ich die Bullen verarschen würde, aber das habe ich nicht getan. Es ist alles so passiert, wie ich es euch gesagt habe, Freunde.«
»Ja, stimmt.«
»Und was jetzt, meine Herren? Was wollen Sie unternehmen?«
»Liegt das nicht auf der Hand?« fragte Harry.
Frau Behle lachte. »Ihr wollt in das Haus, nicht wahr?«
»Richtig.«
»Und dann?«
»Werden wir dort auch eine Nacht verbringen.«
»Unten im Keller?«
»Wenn es sein muß«, sagte ich. »Kennen Sie den Keller denn?«
»Nein, nein«, sagte die Frau, »den kenne ich nicht. Ich habe mich nicht hineingetraut. Ich bin vor der Kellertreppe stehengeblieben, aber ich habe gespürt, daß dort unten etwas lauert.«
»Wie meinen Sie das?« fragte ich.
»Feeling, Sinclair. Da kam etwas hoch. Etwas Unheimliches, das ich nicht fassen konnte - das mir Angst machte. Eine unsichtbare Botschaft aus der Hölle.«
»Sie haben das Geschöpf aber gesehen?« hakte ich nach.
»Das habe ich. Aber fragen Sie mich nicht, wie es aussah. Es war nur ein Schatten, ein Hauch. Gelb, glaube ich. Gelblich und beinern. Wie ein Skelett. Eine Leiche, die lebt.« Gisela Behle schüttelte sich und zerrte die Decke noch höher.
»Können wir sonst noch etwas für sie tun?« fragte Harry.
Die Frau überlegte. »Ja, könnt ihr.«
»Bitte.«
Sie überlegte nicht lange und sprudelte förmlich
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