0958 - Der Keller
mit dem Vorschlag hervor.
»Ich habe euch doch informiert. Wie ich weiß, zahlt man Informanten immer ein kleines Sümmchen. Das ist bei der Polizei so üblich. Ich denke, daß ich mir auch etwas verdient habe. Oder seid ihr zu geizig, einer armen Frau etwas zu geben?«
Ich schaute Harry an, der die Schultern hob und dabei seine Brieftasche hervorholte. Auch ich hatte Geld gewechselt. Gisela Behle bekam von jedem einen halben Hunderter. Damit war sie zufrieden. Über ihr Gesicht huschte ein Lächeln. »Damit werde ich eine Weile rumkommen. Außerdem werde ich eine Krücke brauchen.«
»Warum?« fragte Harry.
»Hör auf, Mann, tu nicht so. Der Arzt wird euch doch gesagt haben, was mit meinem Bein los ist. Glaubst du wirklich, daß das noch mal in Ordnung kommt?«
»Man kann nie wissen.«
»Nein, wahrscheinlich werde ich es verlieren und immer mit einer Krücke rumhumpeln. Nichts geht mehr. Das ist nun mal im Leben so, Freunde.«
»Wir werden noch mal vorbeischauen«, versprach ich.
»Ach ja?«
»Und wir werden Erfolg haben.«
Sie lachte, aber dann heulte sie plötzlich los und wollte, daß wir verschwanden.
Ich schloß die Tür und blieb auf dem Flur neben Harry Stahl stehen.
»Schlimm«, sagte er, »sehr schlimm. Diese Frau Behle hat es verdammt hart erwischt. Aber es geht ihr noch immer besser als den übrigen Verschwundenen.«
»Kennst du das Haus?« fragte ich.
»Ja, ich kenne es. Und wir sollten so rasch wie möglich losfahren.«
Dagegen hatte ich nichts einzuwenden.
***
»Komm hoch!« rief Tom Dohle, der nach dem zweiten Klingeln die Tür geöffnet hatte. Er wußte, daß seine Besucherin bereits unten im Flur stand und ihn hören konnte.
»Ich dachte, wir wollten los.«
»Ja, gleich. Es kommt ja nicht auf die Minute an.«
»Du bist ein Penner.«
»Danke.« Tom Dohle zog sich wieder in seine Wohnung zurück, die aus zwei Zimmern bestand. Altbau, große Räume. Zu ihnen gehörten auch eine Toilette und eine Dusche. Ansonsten legte der dunkelhaarige Tom mit dem Kindergesicht und der runden Brille nicht viel Wert auf eine Einrichtung. Ein Schreibtisch war wichtig, ein PC, auch ein Bett. Die Kochstelle hätte auch in einen Campingwagen gepaßt. Allerdings standen einige Rotweinflaschen in Reih und Glied auf dem Boden, die Hälfte davon noch gefüllt. Einen Rucksack besaß Tom ebenfalls und eine gute Kamera, die noch auf dem Schreibtisch lag. Er selbst stand daneben, rauchte eine Filterlose und schaute sich im Fernsehen eine Game Show an.
Hinter ihm trat die Besucherin so hart mit ihrem rechten Bein auf, daß Tom zusammenzuckte. Er drehte sich um und sah Kollegin Vicky Meininger vor sich.
»Hi…«
»Kommst du jetzt?«
»Gleich.«
»Was interessiert dich an der Glotze?«
»Die Game Show.«
»Warum?«
»Weil ich darüber schreiben soll.«
»Das kannst du auch morgen machen. Ist doch sowieso immer das gleiche. Der neue Job ist wichtiger.«
»Meinst du?« Tom hatte sich neben die Fensterbank gestellt, auf der auch der Ascher stand.
»Klar meine ich das. Es war doch besprochen, daß wir uns auf dem Gelände umschauen.«
»Schon gut.«
Vicky Meininger gehörte zu den jungen Frauen, die das Leben forsch durchschritten. Sie hatte den Job bei der Zeitung bekommen; man hatte ihr eine Chance gegeben. Sie konnte sich als freie Mitarbeiterin um Themen kümmern, die einfach außergewöhnlich waren. Sie hatte keinen Druck, sie brauchte nicht jeden Tag etwas abzugeben, aber wenn sie eine Geschichte hatte, dann war sie wie ein Bluthund und ließ nicht locker. Das wußte auch Tom Dohle, der Fotograf, der Vicky schon auf mancher Tour begleitet hatte und deshalb wußte, wie klettenhaft starr sie sein konnte, wenn sie etwas wollte.
Vicky war blond. Das Haar umhing in Fransen ihren Kopf. Sie hatte ein schmales, eher farbloses Gesicht, aber hellwache Augen, und sie wirkte immer wie auf dem Sprung stehend. Sie war ein Jeans-Girl. Im Winter und im Sommer - nichts anderes kam für sie in Frage. Auch jetzt trug sie eine Jeansjacke, selbstverständlich gefüttert, darunter die Jeansweste und ein Jeanshemd. Natürlich gehörte dazu auch eine Jeanshose, nur die Schuhe bestanden aus weichem Leder und waren gefüttert.
»Was ist denn nun?«
»Ruhe, immer mit der Ruhe.«
»Willst du kneifen?«
»Nein, aber keine Hast. So wichtig ist es nicht.«
»Aber du wolltest doch von dem Bau Aufnahmen machen.«
»Na und? Das kann ich doch.«
»Klar, noch ist es hell.«
»Ich werde sie auch bei Dunkelheit schaffen.«
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