096 - Der grüne Leichnam
fahren sollte. Sie hatte ein Gespräch mit der Burg angemeldet.
„Ich fliege auf jeden Fall nach Castillo Basajaun", sagte Hojo, der von allen vertraulich Yoshi genannt wurde. Der kleine Japaner musterte Coco und Abi. „Hier gibt es nichts mehr für uns zu tun. Was ist mit euch -kommt ihr mit?"
„Ich warte auf die Telefonverbindung mit der Burg", sagte Coco. „Vielleicht hat sich Dorian gemeldet. "
„Auf Dorian bin ich nicht sonderlich neugierig", brummte der Japaner. „In letzter Zeit benimmt er sich ziemlich merkwürdig. Der Umgang mit Magnus Gunnarsson scheint ihm nicht gutzutun."
Das Telefon läutete. Coco hob ab. Burian Wagner war am Apparat. Er war nur sehr schwer zu verstehen.
„Hier spricht Coco. Gibt es etwas Neues, Burian? Hat sich Dorian gemeldet?"
„Ja, er war kurze Zeit auf der Burg."
Coco atmete erleichtert auf. „Hat er für mich eine Botschaft hinterlassen?"
„Nein, das nicht. Er ist auf dem Weg nach London. Bei uns führte er sich wie ein Verrückter auf. Er verspottete uns und machte sich ordentlich unbeliebt. Die Magische Bruderschaft sei ein Verein von Schwachsinnigen, mit denen er nichts mehr zu tun haben will. In London will er endgültig aus der Bruderschaft austreten. Danach will er untertauchen."
Coco war bestürzt. „Wann ist er abgereist?"
„Vor einer Stunde. Wir haben ihm nahegelegt, daß er nicht mehr auf die Burg zurückkommen soll. Wir alle wollen mit ihm nichts mehr zu tun haben. Coco, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie verändert er ist."
„Das sind wenig erfreuliche Nachrichten", flüsterte Coco. „Ich werde nach London fahren und mit ihm sprechen."
„Ich fürchte, du wirst nichts ausrichten. Er ist völlig verblendet."
„Vielleicht gelingt es mir doch."
„Ich wünsche dir viel Glück dazu, Coco!"
„Einen Augenblick noch, Burian! Yoshi will mit dir sprechen."
Sie reichte dem Japaner den Hörer, der sich kurz mit Burian unterhielt; dann legte er auf.
„Ihr habt mitgehört?" fragte Coco.
Yoshi und Abi nickten.
„Ich will nichts mit Dorian zu tun haben. Was ist mit dir, Abi?" fragte Hojo.
Der blonde Däne zögerte. Er war jetzt so richtig auf den Geschmack gekommen. Eine aktive Dämonenbekämpfung war ihm lieber, als in der Burg herumzuhocken. Das gab den Ausschlag.
„Ich fahre mit Coco nach London."
„Gut, dann ist das geregelt", meinte Coco, der es nicht unangenehm war, daß Abi mitkam. „Jetzt rufe ich mal Trevor an. Vielleicht hat sich Dorian bei ihm gemeldet."
Doch Dorian hatte sich nicht mit Trevor Sullivan, dem Leiter der „Mystery Press", in Verbindung gesetzt. Coco bat ihn, daß er Dorian auf jeden Fall aufhalten sollte, bis sie in London war.
Fünfzehn Minuten später waren Coco und Abi mit einem Leihwagen nach Edinburgh unterwegs. Beide hingen ihren Gedanken nach. Sie wechselten auf der Fahrt kaum ein Wort.
Abi Flindt dachte an seine tote Frau, die er während der Flitterwochen durch Dämonen verloren hatte, was ihn zu einem Dämonenhasser gemacht hatte.
Cocos Gedanken kreisten hauptsächlich um Dorian. Sie versuchte sich über ihre Gefühle ihm gegenüber klarzuwerden. Trotz seines veränderten Verhaltens liebte sie ihn, vielleicht stärker als je zuvor. Doch nach dem Abenteuer auf der Paradiesinsel hatte sich zwischen ihnen eine Kluft aufgetan. Sie hatte es nicht richtig gefunden, daß Dorian im Kampf gegen die Dämonen den Zyklopenjungen Tirso eingesetzt hatte. Dann erinnerte sie sich an Dr. Fausts Prophezeiung, den einige Mitglieder der Magischen Bruderschaft vor etwa vierzehn Tagen auf der Burg beschworen hatten. Fausts Aussage war sehr verworren gewesen, und er hatte Dorians baldigen Tod prophezeit. In diesem Augenblick hatte auch der Hermaphrodit Phillip ein zweites Gesicht gehabt. Wie üblich hatte er orakelhaft gesprochen, doch der Kern seiner Worte war klar gewesen.
„Dorian trägt das Stigma des Todes in sich", hatte er gesagt. „Er wird zurückkommen, geschlagen, erfolglos, ein Schatten seiner Selbst, ein verbitterter Tyrann, der bei dem Versuch stirbt, sein vorbestimmtes Schicksal zu ändern."
Phillips Prophezeiungen hatten sich immer bewahrheitet. Das bereitete Coco die größte Sorge.
In Edinburgh nahmen sie die Maschine nach London. Auch während des Fluges sprachen Coco und Abi nur wenige Sätze. Je näher sie London kamen, um so unruhiger wurde Coco. Fast körperlich spürte sie das nahende Unheil.
Es regnete stark, als die Maschine landete. Von einer Telefonzelle aus rief Coco in der
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