096 - Die Gräfin von Ascot
Nummer versehen. Die Gesichtszüge der abgebildeten Leute wirkten abstoßend, auch waren sie in wenig günstigen Stellungen aufgenommen. »Eine Galerie von Schönheiten, finden Sie nicht auch? Sämtliche Herrschaften sind Einbrecher, die mindestens schon einmal bestraft worden sind, manche aber viel öfter. Sehen Sie zum Beispiel den hier? Der ist direkt eine Berühmtheit - sechsmal wegen Einbruchs verurteilt, zur Zeit noch im Gefängnis.«
»Sie suchen wohl immer noch nach Ihrer ›Einsamen Hand‹?« Peas nickte. »Ich halte natürlich die Augen offen. Einmal schaue ich nach dem Verbrecher aus, andererseits aber auch nach dem Hehler. Die Leute, die diesen Schmuck zu Geld machen wollen, müssen schon ziemlich viel Erfahrung darin haben, denn je kostbarer die Stücke sind, die sie stehlen, desto schwieriger ist es, sie unterzubringen.«
»Es müßte aber doch leicht für Sie sein, alle Hehler in London zu kennen.«
»Jeder große Hehler ist der Kriminalpolizei in Scotland Yard auch bekannt. Wir haben aber in allen Fällen zu wenig Beweismaterial, um die Leute zur Verurteilung zu bringen. Außerdem hat es auch einen gewissen Vorteil, wenn wir sie in Freiheit lassen. Einige von ihnen wissen sogar genau, daß wir über ihre wahre Tätigkeit informiert sind, aber sie halten sich für so schlau, daß sie glauben, wir könnten sie nicht fassen. Das ist natürlich ein Irrtum.«
John Morlay wußte wenig von der Art und Weise, wie die Polizei mit Verbrechern umging.
»Welche Leute kaufen denn gestohlene Schmucksachen auf? Sind es Händler?«
»Ein paar Juweliere sind darunter, einige haben sogar große Läden und einen ziemlich hohen Umsatz in ihrem offiziellen Geschäft. Ich kenne auch zwei Altkleiderhändler -« John lachte laut auf.
»Mrs. Carawood ist also auch eine Hehlerin - ich meine, in Ihren Augen?«
»Nein, an die dachte ich im Augenblick nicht. Übrigens haben wir ihren letzten Besuch in Antwerpen genau untersucht. Sie fährt tatsächlich dorthin, um Kleider einzukaufen, hauptsächlich billige Seidenware. Wir haben eine Bestätigung vom Zollamt.«
Er schob die Fotos zusammen und machte ein Gummiband darum. »Sie haben sie also nicht länger in Verdacht?«
»Doch, sie ist immer noch verdächtig. Und was das Wichtigste ist, ich bearbeite ihre Personalakten. Das ist ziemlich gefährlich für sie. Im Vertrauen kann ich Ihnen ja sagen, daß sie uns einiges zu raten aufgibt.« Er sah auf die Uhr und drückte dann auf einen Klingelknopf. »In zehn Minuten ist mein Dienst zu Ende. Wollen Sie einmal sehen, wie ein wirklicher Kriminalbeamter arbeitet? Wenn ich von einem wirklichen Kriminalbeamten spreche, meine ich natürlich einen Meister seines Fachs.«
»Mit anderen Worten - Sie meinen sich selbst.« »Wen sonst?«
Bald darauf erschien ein Beamter und holte die Fotos, die Peas in einen Umschlag gesteckt hatte. Dann telefonierte der Inspektor noch mit einem gewissen Arty, der ihn ablösen sollte. Nachdem das alles erledigt war, zog Peas sein Jackett an und griff nach seinem Hut. Dann gingen die beiden in die warme Abendluft hinaus.
»Merkwürdig, daß Sie vorhin gerade von dieser Mrs. Carawood gesprochen haben«, sagte der Inspektor, als sie nach Westen wanderten. »Ich habe mich nämlich fest entschlossen, heute abend dieses kleine Geheimnis zu lüften. Ich glaube, der junge Mann in ihrem Laden kann mir einigen Aufschluß geben. Er scheint ehrlich zu sein. Auch dieser Fenner, der sehr oft hinkommt ist wohl ein ganz brauchbarer, anständiger Mensch. Es ist doch merkwürdig, daß eine Frau, der eine junge Aristokratin nahesteht, keine Freunde in besseren Kreisen besitzt.« »Wohin gehen Sie denn jetzt?« fragte John argwöhnisch. »Zur Penton Street. Ich möchte mich mit Herman unterhalten.« John schüttelte den Kopf.
»Ich werde Sie bis zur Tür des Ladens begleiten, aber ich will nicht Zeuge sein, wie ein richtiger Kriminalbeamter arbeitet. Wahrscheinlich könnte ich es nicht schweigend mitanhören, wenn Sie diesen Herman ausfragen. Er ist schließlich ein Angestellter meiner Auftraggeberin.« »Viel werde ich wohl sowieso nicht aus ihm herausbringen. Aber vielleicht bekomme ich durch eine Unterredung mit ihm eine Anregung. Vielleicht macht er irgendeine brauchbare Andeutung. Er weiß natürlich bedeutend mehr über Mrs. Carawood, als er mir gesagt hat.« »Haben Sie schon vorher mit ihm gesprochen?« »Ja, mindestens ein halb dutzendmal.«
John Morlay war es ganz neu, daß Mrs. Carawood die Beamten von
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