096 - Die Gräfin von Ascot
Schrulle, und es ist auch eitel, wenn Sie immer über Ihr würdiges Alter reden. So, nun wollen wir aber frühstücken.«
Er hätte diese Unterhaltung gern noch weiter fortgesetzt, aber Marie war wirklich hungrig und ließ sich nicht mehr zurückhalten. Nach dem Frühstück" ging er in den Ort, um Inspektor Peas aufzusuchen. Nach längerer Zeit fand er ihn auch in der Kantine der Polizeibaracke, die dem großen Tribünenstand auf der Rennbahn gegenüberlag. Dreihunderteinundsechzig Tage im Jahr liegt sie einsam und verlassen, aber während des viertägigen Rennens sind hier viele Polizeibeamte aus der ganzen Gegend zusammengezogen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten und den Verkehr zu regeln. Peas trank Bier und aß große Käsebrote dazu.
»Ich wollte eigentlich in der Offiziersmesse essen«, sagte er, »aber die einfachen Polizeibeamten sind ebenso gut für mich. Im Herzen bin ich demokratisch gesinnt. Jeder Polizeibeamte ist mein Kamerad, und sie achten mich deshalb auch besonders. Die Vorgesetzten, die sich immer über die anderen erhaben fühlen, sind bei der Mannschaft nicht beliebt.« John ging einen Augenblick mit ihm auf den Hof hinaus. Peas wußte nicht viel. Ein Einbruch hatte stattgefunden; ein Perlenhalsband war gestohlen worden, ebenso ein Ring.
»Es wundert mich nur, daß der Mann ausgerechnet in Mrs. Carawoods Haus eingestiegen ist. Diese Einbrecher unterrichten sich doch vorher meistens sehr genau darüber, was in den einzelnen Villen zu holen ist. Ich kann mir die Sache nur so erklären, daß er das Haus verwechselt hat, aber auch das ist nicht sehr wahrscheinlich.«
»Glauben Sie, daß derselbe Mann die beiden Einbrüche verübt hat?« »Zweifellos. Wir fanden genau dieselben Fußspuren auf beiden Grundstücken. Die Erde ist ziemlich weich vom Regen, und der Mann hat Abdrücke in den Blumenbeeten hinterlassen, die vollkommen klar und deutlich sind. Sein Fuß ist fast so klein wie ein Frauenfuß. Außerdem benützt er Baumwollhandschuhe bei der Arbeit. Er ließ einen davon am Fuß der Leiter zurück. Für die Untersuchung ist das leider gar kein Anhaltspunkt. Außerdem ist noch festgestellt worden, daß er in einem Auto hergekommen ist. Wir fanden die Spuren der Räder und Öl an der Stelle, wo er geparkt hat. Es hat sich auch ein Mann gemeldet der den Wagen dort gesehen hat. Die Nummer hat er sich leider nicht gemerkt, und wenn wir sie auch hätten, würde sie für uns doch kaum von Wert sein, da es sich wahrscheinlich um einen gestohlenen Wagen handelte.« Er sah John neugierig an. »Ist Mrs. Carawood heute morgen wohlauf?«
»Ich habe sie noch nicht gesehen. Ich sagte schon - sie war fast die ganze Nacht auf und hat sich jetzt hingelegt.«
Peas nickte.
»Hat Sie Ihnen nichts über ihren Ausflug nach Rotherhithe gesagt? Aber Sie haben natürlich auch nicht danach gefragt.«
»Sie sagte nichts. Übrigens muß ich feststellen, daß Sie Mrs. Carawood wirklich nicht sehr gut leiden können.«
»Ich schätze sie mehr als alle anderen Frauen, die ich in der langen Zeit meiner Dienstjahre gesehen und kennengelernt habe«, lautete die erstaunliche Antwort. »Ich habe sogar eine gewisse Bewunderung für diese Dame.«
»Bezieht sich Ihre Bewunderung darauf, daß sie eine gute Staatsbürgerin ist oder eine Verbrecherin?« fragte John leichthin.
Mr. Peas antwortete nicht. Er hatte seine Geheimnisse. John fühlte, daß der Inspektor ein paarmal nahe daran gewesen war, sie ihm mitzuteilen. Peas war so veranlagt, daß er nicht ohne eine Zuhörermenge leben konnte, die ihm Beifall zollte. Es mußte ihm daher ungeheuer schwerfallen, ein Geheimnis für sich zu behalten, aber in diesem Fall tat er es doch. John ging mit Marie zum Rennplatz und aß dort mit ihr zu Mittag. Den ganzen Nachmittag über sahen sie den Rennen zu, für die sich auch John mehr als sonst interessierte. Ein guter Freund hatte ihm die richtigen Tips gegeben.
Die kleine Unterhaltung mit Marie über den Einbruchsdiebstahl hatte er längst vergessen, als sie von den Rennen zurückkehrten und in die Halle traten. Mit einem Aufschrei eilte sie zu dem Seitentisch, auf dem ein Päckchen lag.
»Wann ist es angekommen?« fragte sie das Mädchen. »Heute nachmittag.«
Sie riß das Papier ab und hielt ein kleines rotes Lederetui in der Hand, das sie sofort öffnete.
Auf weißem Plüsch lag der schöne Ring mit dem Rubin. »Nun, was sagen Sie jetzt?« rief sie John triumphierend zu. »Ist das der Ring?« fragte er ungläubig. »Ja, das ist
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