096 - Die Gräfin von Ascot
eben mit Ihnen besprochen habe. Aber wenn - wenn Sie derartig denken, und wenn sie damit einverstanden ist, dann habe ich auch nichts dagegen.«
Es kam ihm zum Bewußtsein, wie schwer es ihr fiel, das zu sagen, und er fragte sich, was sie wohl dazu getrieben haben mochte. Es war nicht der Einbruch in der Villa, auch nicht die Rücksicht auf Julian. Noch vor ein paar Tagen hatte sie ihm mit allem Nachdruck erklärt, daß Marie zu jung zum Heiraten sei, und nun wählte sie selbst einen Mann für sie aus. John war merkwürdig erregt, und als er sprach, zitterte seine Stimme. »Es wäre wunderbar, wenn Marie ebenso darüber dächte wie Sie. Geld spielt für mich nicht die geringste Rolle; ich habe selbst genug.« »Ich weiß es, Mr. Morlay. Ich habe Erkundigungen über Sie eingezogen und bin über Ihre Familie unterrichtet. Ich könnte Ihnen genau sagen, wieviel Geld Sie besitzen und wieviel Sie in Aktien angelegt haben. Ich mußte das tun, um sicher zu sein, bevor ich Ihnen etwas sagte, und es gibt ja genug Auskunftsbüros in London. Sobald ich zu dem Entschluß kam, daß Marie bald heiraten müßte.« Sie hielt plötzlich inne.
»Bis wann soll sie denn heiraten?«
Mrs. Carawood seufzte wieder ungeduldig.
»Das kann ich noch nicht sagen, aber es wird wohl bald sein. Kennen Sie Polizeiinspektor Peas? Er ist ein Kriminalbeamter, der sich mit Verbrechen beschäftigt. Sie wissen schon, wie ich es meine, Mr. Morlay.« Sie war etwas verwirrt. »Er ist ein richtiger Kriminalist.« »Ich kenne ihn sehr gut.«
»Er ist in mein Geschäft gekommen, hat sich dort nach mir erkundigt und meine Angestellten ausgefragt. Wissen Sie vielleicht, warum er das getan hat?«
John konnte ihr aufrichtig sagen, daß er keinen Grund dafür wüßte. »Ich würde mir an Ihrer Stelle keine Sorgen deswegen machen, Mrs. Carawood. Die Polizei muß natürlich alle möglichen Nachforschungen anstellen. Die Leute wollen zum Beispiel wissen, warum Sie in letzter Zeit öfter nach Antwerpen reisten.«
Er hörte einen erschrockenen Laut und schaute auf. Sie stand am Fenster; ihr Gesicht war bleich, und sie atmete aufgeregt. Einen Augenblick glaubte er schon, sie würde ohnmächtig umsinken, und eilte zu ihr, um sie zu stützen. Aber sie machte eine abwehrende Bewegung. »Was sagten Sie eben?« fragte sie heiser. »Warum ich nach Antwerpen reiste? Nun, das ist sehr einfach. Ich habe dort für mein Geschäft Einkäufe gemacht - das kann ich leicht beweisen. Die Polizei kann ja in mein Büro kommen - ich kann die Frachtbriefe vorlegen.« »Was kommt es auch darauf an?«
Sie sank in einen Stuhl und sah ihn an. Ihre Hände zitterten. Er ging rasch in eine Ecke des Zimmers, goß ein Glas Wasser ein und reichte es ihr. Sie trank gierig und lächelte ihn dann dankbar an. »Es ist wirklich nichts. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich noch ein wenig hier in Ihrem Büro bleibe, um mich zu erholen? Und gibt es einen hinteren Ausgang?«
»Ja«, erwiderte er erstaunt, »Vielleicht könnte einer Ihrer Angestellten mir ein Taxi besorgen und vor dem hinteren Eingang halten lassen. Ich werde nach Hause fahren, möchte aber nicht die Vordertür benützen. Ich fühle mich noch so schwach, daß ich eventuell ohnmächtig werden könnte, und ich mag nicht die Aufmerksamkeit der Leute auf der Straße erregen. Wenn mir etwas passieren sollte, kann mich wenigstens niemand sehen.«
»Soll ich einen Arzt rufen?« fragte er ängstlich.
»Nein, die Ruhe im Auto ist die beste Arznei für mich.« John beauftragte eine seiner Stenotypistinnen, ein Taxi zu rufen und die Dame nach Hause zu begleiten. Als er ins Büro zurückkehrte, stand Mrs. Carawood am offenen Fenster und sah auf den Platz hinunter. Allmählich hatte sie wieder etwas Farbe bekommen und fühlte sich offensichtlich wohler.
»Es tut mir leid, daß ich Ihnen soviel Unannehmlichkeiten mache, Mr. Morlay. Gelegentlich bekomme ich solche Schwächeanfälle - wann werden Sie Marie wieder treffen?« »Vielleicht morgen«, sagte er. Sie nickte.
»Morgen kommt sie in die Stadt, dann können Sie sie zum Tee abholen. Ich weiß wirklich nicht genau, wie sie über Sie denkt, aber jedenfalls ist ihr Urteil über Sie nicht schlecht - das weiß ich. Sie ist zwar noch jung, hat aber bereits ein sehr selbständiges Urteil. In der Beziehung ist sie viel reifer als ihre Altersgenossinnen. - Wenn Sie Marie heiraten, wird sie Ihren Namen führen. In gewisser Weise tut mir das leid.« »Ach, wegen des Titels?« John lächelte. »Nun, deshalb
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