Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
096 - Die Gräfin von Ascot

096 - Die Gräfin von Ascot

Titel: 096 - Die Gräfin von Ascot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
gekommen war, sah er ein, daß sich die alten Methoden vollkommen geändert hatten. Es war nicht mehr so leicht wie früher, in ein Haus einzudringen und einfach ein paar Silbergegenstände zu stehlen. Die letzten drei Tage war er in London umhergewandert und hatte versucht, eine Gelegenheit zu leichten Diebstählen auszukundschaften, aber er merkte, daß sich eine neue Wissenschaft für Einbrüche entwickelt hatte. Selbst die Ganovensprache war nicht mehr dieselbe; viele Ausdrücke waren ihm fremd. Und es gab junge Leute, die eine besondere Taktik ausgearbeitet hatten, um in gute Wohnungen zu kommen. Unter irgendeinem Vorwand drangen sie ein, rafften an Pelzen, teuren Kleidungsstücken und sonstigen beweglichen Sachen zusammen, was in Reichweite war, und verschwanden dann so schnell wie möglich wieder. Die ganze Angelegenheit durfte höchstens eine Minute dauern. In seinen jungen Jahren hatte er klettern können, aber jetzt war ihm das unmöglich. Der Arzt hatte ihm gesagt, daß er jeden Augenblick damit rechnen müßte, einem Herzschlag zu erliegen. Deshalb trug der Mann auch eine für ihn kostbare Medizin in einem kleinen Fläschchen in der Tasche. Sie konnte ihm das Leben retten, wenn er einen Anfall bekam. Er war froh, daß er sie bis jetzt noch nicht nötig gehabt hatte.
    Er haßte die Welt, aber am meisten die Frau, die er eben zu erkennen geglaubt hatte. Sollte das wirklich eine Herzogin gewesen sein? Sie sah doch so gewöhnlich aus. Allerdings war er noch nie einer Dame von so hohem Adel begegnet.
    John ging zu seinem Klub und war während des Mittagessens sehr nachdenklich. Er hatte sich schon halb vorgenommen, zu dem Laden in der Penton Street zu gehen und mit Mrs. Carawood zu sprechen. Warum hatte sie sich vor diesem schäbigen früheren Sträfling gefürchtet? Welche Beziehungen bestanden zwischen ihr und ihm, daß sein Anblick sie so erschreckte?
    Er wünschte, er hätte sich Inspektor Peas anvertrauen können, aber der war gefährlich. Man wußte niemals, wie weit man sich auf ihn verlassen konnte. Er gehörte zu diesen jungen, skrupellosen Beamten, denen kein Geheimnis heilig war, wenn sie dadurch beruflich vorwärtskamen. Julian trat in den Speisesaal, als John gerade mit dem Essen fertig war. Mr. Lester war auch ein Mitglied des Klubs, kam aber nur selten her. Es ging ihm dort etwas zu bürgerlich zu. Die Mitglieder waren zwar wohlhabend, aber keine großzügigen Kapitalisten, die ihr Geld in gewagten Spekulationen anlegen wollten.
    Die Speisekarte war außerordentlich preiswert, und wenn Julian nicht das Glück hatte, von jemandem eingeladen zu werden, erschien er hier. Als er John erkannte, kam er mit langen Schritten quer durch den Saal auf ihn zu.
    »Es ist doch schrecklich, daß die arme Marie solches Pech hatte!« sagte er. »Ausgerechnet sie muß von einem Einbrecher erschreckt werden! Kaum zu glauben, daß der Mann den Ring zurückgeschickt hat! Ich verstehe die heutigen Zeiten nicht mehr.«
    »Ich bin kein Sachverständiger für kriminelle Angelegenheiten«, erwiderte John. »Und wenn Sie denken, Sie können sich hier mit mir lange und angenehm unterhalten, dann irren Sie sich sehr. Trocknen Sie Ihre Tränen mit der Serviette, denn ich gehe in ein paar Minuten fort.« »Sie scheinen ja recht hochmütig zu sein«, erwiderte Julian leise. Er schien in bester Stimmung zu sein, trug eine Nelke im Knopfloch und erzählte John strahlend, daß er am Nachmittag nach Wolverhampton zu fahren beabsichtigte, um Material für sein Buch zu sammeln. »Ich möchte nur wissen, was Sie in dem Nest finden wollen«, entgegnete John erstaunt.
    »Sie sind ziemlich unhöflich. Ich weiß gut genug, welches Material ich für mein Buch brauche. Dazu muß man eben Bildung und Geschmack haben.«
    »Trotzdem ist mir immer noch nicht klar, welches Material Sie in Wolverhampton sammeln könnten. Ich habe nichts gegen den Ort, im Gegenteil, es wohnen ein paar gute Kunden von mir dort. Aber für Sie ist das wirklich ein merkwürdiger Platz. Was wollen Sie denn dort?« Mr. Lester wich dieser Frage aus. Er wollte mit John über Marie sprechen, würde jedoch nicht dazu ermutigt. Vor allem hätte er gern gewußt, welchen Eindruck sein Geschenk auf das junge Mädchen gemacht hatte. »Es war eine Sensation«, entgegnete John ironisch. »Die Leute kamen aus der Königlichen Loge und standen stundenlang Schlange, um sich das Wunderding anzusehen. Ich hatte niemals geahnt, daß ein synthetischer Edelstein und ein bißchen Gold -

Weitere Kostenlose Bücher