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096 - Die Gräfin von Ascot

096 - Die Gräfin von Ascot

Titel: 096 - Die Gräfin von Ascot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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hatte sofort eine Erklärung und Entschuldigung zur Hand, aber auf Julian machte das keinen großen Eindruck. Er hörte ihm mit eisiger Ruhe zu. Als erstklassiger Berufseinbrecher verachtete er diese Fehler eines Amateurs. Schließlich ließ er den Mann vor sich hergehen und brachte ihn in sein Arbeitszimmer. Als er die Wohnung oberflächlich durchsuchte, sah er, daß nichts fehlte. Wahrscheinlich waren sie beide zugleich in der Wohnung angekommen: der Einbrecher durch das Fenster, er selbst durch die Tür. »Ich bin am Verhungern.«
    »Wie heißen Sie? Es ist allerdings lächerlich, einen Mann wie Sie nach seinem Namen zu fragen.«
    »Smith«, erwiderte der Mann und grinste.
    Zuerst wollte Julian nach der Polizei schicken, aber er hatte noch nie eine solche Situation erlebt, und sie machte ihm eine gewisse Freude. Er ließ also den Mann in die kleine Küche gehen. Seine Aufwartefrau hatte ihm hier ein einfaches Abendbrot zurechtgemacht, und da Julian im Klub gegessen hatte, brauchte er es nicht. »Setzen Sie sich und essen Sie!« sagte er.
    Nach anfänglichem Zögern setzte sich der Mann hin. Am Verhungern schien er nicht gewesen zu sein, denn er aß sehr wenig, und Julian schloß daraus mit Recht, daß der Einbrecher gewohnheitsmäßig log. Julian überlegte sich, was Morlay unter diesen Umständen wohl getan hätte. Natürlich hätte er sofort die Polizei benachrichtigt und den armen Teufel verhaften lassen. Julian hätte das jetzt auch noch tun können, aber dann fiel ihm etwas anderes ein.
    »So, Sie sind also zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt worden? Das bedeutet in England zwanzig Jahre.« Smith nickte.
    »Welches Verbrechen haben Sie denn begangen?« Der Mann warf Julian einen prüfenden Blick zu.
    »Mord!« sagte er dann mit kaltblütiger Ruhe, so daß selbst Julian ein Schauer überlief. »Ich war gerade bei einem Einbruch und habe dabei einen Polizisten niedergeknallt. Das heißt, das war ein Zufall«, setzte er schnell hinzu, als er sah, welchen schlechten Eindruck das auf den anderen machte. »Dann hat eine Menge von gemeinen Lügnern gegen mich ausgesagt. Man hätte mich auch gehenkt, aber jemand hat eine Petition für mich eingereicht.«
    »Das war es also«, erwiderte Julian. Er hatte nun einen Entschluß gefaßt. »Kommen Sie mit, wenn, Sie mit dem Essen fertig sind«, sagte er kurz. Smith atmete erleichtert auf und sprang so schnell und behende auf, wie man es ihm bei seinem Alter kaum zugetraut hätte.
    »Ich.«, begann er, dann sah Julian plötzlich, daß sich die Züge des Mannes schmerzlich verzerrten. Seine ungesunde, bleiche Gesichtsfarbe wurde dunkelrot und ging an manchen Stellen in ein sonderbares Blau über. Nervös suchte er in seinen Taschen und holte schließlich eine kleine Medizinflasche hervor. Mit zitternden Händen entfernte er den Korken, setzte sie an die Lippen und trank, bevor er kraftlos in einem Stuhl zusammenbrach.
    Julian sah den Mann bestürzt, fast furchtsam an und atmete auf, als Smith allmählich wieder zu sich kam.
    »Es ist das Herz«, sagte Smith schnell. »Solche Anfälle habe ich zuweilen. Ich muß immer die Medizin bei mir tragen, sonst kratze ich ab.« Er verschloß die Flasche wieder und steckte sie in die Westentasche. »Ich möchte etwas für Sie tun«, sagte er dann. »Sie sind der erste, der freundlich zu mir gewesen ist.«
    Julian wußte, daß das die gewöhnliche Redensart der alten Sträflinge war, mit der sie andere Leute freundlich zu stimmen hofften. Aber er war durch den Anfall so abgelenkt, daß er sich täuschen ließ und diese Versicherung mit Zufriedenheit hinnahm.
    »Wenn Sie sich bekehren ließen und von jetzt ab ein anständiges Leben führten, gäbe es viele Leute, die Ihnen gern helfen würden.« »Das sagen Sie so, aber es ist nicht der Fall. Hinter einem Sträfling sind immer alle her. Wenn Sie mir eine anständige, ruhige Arbeit geben könnten -«
    Er sprach weiter, aber Julian hörte nicht zu. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Dieser Mann konnte ihm bei gewissen Gelegenheiten nützliche Dienste leisten und im schlimmsten Fall für ihn selbst als Sündenbock gelten.
    »Wo wohnen Sie denn? Wie kann ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen?«
    Smith sagte ihm das gern, und Julian schrieb die Adresse auf die Rückseite einer seiner Visitenkarten.
    »Hier sind zehn Shilling«, erklärte er dann und gab dem Mann das Geld. »Vielleicht habe ich einmal etwas für Sie zu tun. Besuchen Sie mich von Zeit zu Zeit hier - nein, es ist

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