096 - Die Gräfin von Ascot
dazu sagen, wenn Sie so ein hübsches kleines Auto besäßen, mit dem Sie spazierenfahren könnten? Wäre das nicht ein reizender Gedanke?« »Ich habe einen Wagen, aber ich fahre lieber im Bus!« Er wußte, daß sie sich über ihn lustig machte, ließ sich aber nicht einschüchtern.
»Nehmen wir einmal an, Sie hätten ein hübsches Auto und eine Villa. Und wie wäre es, wenn wir die Flitterwochen in Paris verbrächten, Mrs. Carawood?«
Sie betrachtete ihn belustigt. Aber dann machte sie sich selbst Vorwürfe, denn sie erinnerte sich daran, daß sie vor einigen Tagen noch gehofft hatte, im schlimmsten Fall bei ihm Zuflucht zu finden. Einer Antwort wurde sie enthoben, denn Marie kam die Treppe herunter, und vor dem Geschäft hielt ein Auto an. Es sah fast aus, als ob Marie oben auf John Morlays Ankunft gewartet hätte.
Sie begrüßte Fenner, der mit allem Anstand eine türkische Zigarette rauchte und sich beinahe vorkam wie ein Sultan.
»John, ich habe Ihnen schon von Mr. Fenner erzählt.«
»Natürlich! Sie sind doch Schreiner, nicht wahr?«
Fenner räusperte sich.
»Nun, ich bin nicht nur das, ich bin Schreinermeister, wenn ich so sagen darf.«
»Hören Sie doch nur, wie er angibt!« rief Mrs. Carawood.
Sie hielt zärtlich Maries Hand.
»Hast du etwas Angenehmes vor?« fragte sie.
»Ja. Zum Wochenende fahren wir aber doch nach Ascot?«
Mrs. Carawood nickte.
John beobachtete die beiden scharf und hatte den Eindruck, daß Pater Benito recht haben mußte.
Marie fing seinen Blick auf; sie war bereit zu gehen.
»Ich muß jetzt wieder in mein Geschäft, Mrs. Carawood«, sagte Fenner und reichte ihr die Hand. Früher hatte er das nicht getan.
John bot ihm einen Platz in seinem Wagen an, aber das lehnte er ab.
»Nein, das ist nicht nötig, ich kann mir ja ein Taxi nehmen..«
Er sah sich halb um, welchen Eindruck das auf Mrs. Carawood machte, aber sie schien es gar nicht gehört zu haben.
Sie trat auf die Straße hinaus und sah dem Wagen mit Marie und Mr.
Morlay nach, dann schloß sie die Ladentür.
»Wir wollen Licht machen«, sagte sie. »Es wird dunkel. Ich fürchte, wir bekommen ein Gewitter.«
»Haben Sie gehört, was Fenner sagte, Mrs. Carawood«, fragte Herman, als er das Licht andrehte. »Wie fein der auf einmal geworden ist. Taxi will er fahren! Aber ich bin wirklich müde heute abend«, gähnte er. »Vorige Nacht war es so heiß wie in einem Ofen, und heute ist es ebenso.« »Es wird schon kühler werden, wenn das Gewitter vorbei ist. Also, gehen Sie jetzt ins Bett, Herman.« »Gute Nacht, Mrs. Carawood.«
23
Es dauerte einige Zeit, bis sie die Feder aufnahm und Eintragungen in das Geschäftsbuch machte, das vor ihr lag. Sie blätterte um, bis sie an die Stelle kam, wo sie ihre persönlichen Ausgaben einschrieb. Die Aufwendungen für Marie wurden in ein anderes Buch eingetragen. Sie schaute erst wieder auf, als sie ein schwaches Geräusch hörte, und sah zur Tür, die zum Gang führte. Vermutlich war Herman noch einmal heruntergekommen. Die Tür blieb jedoch geschlossen, und Mrs. Carawood wandte sich wieder ihrem Buch zu.
Es war vollkommen ruhig in dem Zimmer, deshalb schrak sie heftig zusammen, als eine Diele im Gang draußen knarrte.
Einige Sekunden herrschte tiefe Stille, dann wiederholte sich dieses Geräusch. Sie erhob sich zitternd, und ihre Augen wurden größer und größer, als sie sah, daß sich die Tür langsam öffnete.
»Herman!« rief sie scharf. »Machen Sie doch keinen solchen Unsinn und erschrecken Sie mich nicht so!«
Die Tür ging weiter auf, und dann zeigte sich ein Mann mit bleichem, ungesundem Gesicht. Seine Augen flackerten unheimlich, seine Backenknochen traten scharf hervor. Trotz der drückenden Hitze hatte er die Mütze tief ins Gesicht gezogen und den Rock bis oben zugeknöpft. Sie öffnete den Mund und rang verzweifelt nach Atem. »Joe!« stieß sie heiser hervor. »Um Himmels willen, Joe!« Der Mann starrte sie an. Er hatte nicht erwartet, diese Frau hier zu sehen, und auch er schrak im ersten Augenblick zusammen. Aber dann trat er entschlossen ins Zimmer und machte die Tür zu. Wie eine Geistererscheinung stand er vor ihr, ein häßliches Grinsen verzerrte seine Züge. »Was, du. verdammt noch mal!«
Sie fühlte ein Würgen in der Kehle und konnte nicht sprechen. »Du dachtest wohl, ich wäre verreckt? Gehofft hast du natürlich, daß ich nicht mehr aufstehen würde! Warum bist du denn in so zerrissenen Kleidern zu mir gekommen? Wolltest mir wohl
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