Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
096 - Die Gräfin von Ascot

096 - Die Gräfin von Ascot

Titel: 096 - Die Gräfin von Ascot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
weismachen, daß du kein Geld hättest! Also du bist Mrs. Carawood!« Sie nickte. Leise begann sie zu reden.
    »Du hast aber doch regelmäßig von mir Geld erhalten. Ich habe es immer ans Gefängnis nach Broadmoor geschickt und nachher an die andere Adresse. Woher wußtest du, daß ich hier wohne? Ich dachte.« Sie zitterte an allen Gliedern und lehnte sich an den Tisch, um nicht umzusinken.
    »Ja, ich kenne dich, und ich weiß von früher her, was du denkst! Du glaubst, ich würde dort in dem Haus in Rotherhithe bleiben, bis man mich auf den Kirchhof hinaustrüge! Aber ich sterbe nicht so bald! Jetzt bin ich nach Hause gekommen - jetzt bin ich wieder daheim bei meiner Frau, die mich so liebt!« Seine Stimme klang beißend höhnisch. Sie starrte ihn an wie vom Schlage gerührt. Vergeblich versuchte sie, sich zu fassen. Plötzlich wurde ihr klar, was das alles zu bedeuten hatte - neunzehn Jahre hatte sie unentwegt gearbeitet, neunzehn Jahre hatte sie träumen dürfen. Sie hatte sich ihr eigenes Glück aufgebaut, die häßliche Vergangenheit begraben, und nun brach alles in einem einzigen kurzen Augenblick zusammen. Ihre Träume vorn Glück wurden in den Schmutz gezerrt, und alle ihre Anstrengungen, sich emporzuarbeiten, waren umsonst gewesen!
    Sie schluchzte auf, sank auf den Stuhl und bedeckte die Augen mit den Händen, als ob sie ihn nicht sehen wollte. »Ach, wie schrecklich!« stieß sie mühsam hervor.
    »Ach, wie schrecklich!« äffte er ihre Worte nach und drehte sich dann um, als er auf der Straße schwere Schritte hörte. Der Schatten eines Helms fiel von draußen auf den Fenstervorhang. »Einer von der Polente!« zischte er.
    Sie sah auf, eine wilde Hoffnung riß sie aus ihrer Gefühllosigkeit. »Joe, du wirst doch nicht von der Polizei gesucht?« rief sie. In diesem Augenblick hatte sie kein Erbarmen mit ihm, sie dachte nur an all die Schrecken, an all die Erniedrigung, an die Häßlichkeit, die seine Rückkehr wieder in ihr Leben brachte. Wie hatte sie früher, als sie noch mit ihm zusammenlebte, von einer Wohnung zur anderen fliehen müssen! Überall mußte sie sich verbergen, sie war seine Sklavin gewesen, ohne daß er es ihr gedankt hätte. Dann war sie ihm entkommen, weil er zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt wurde, und hatte glücklich die Jahre der Freiheit verlebt, die doppelt froh und angenehm waren nach all dem Elend, das sie vorher durchgemacht hatte.
    Und wenn es das Los der Menschen war, zu leiden, hatte sie nicht genug gelitten? Sie eilte zur Tür.
    »Nein, die Polizei ist nicht hinter mir her«, sagte er heiser. »Ich bin aus dem Gefängnis entlassen worden, nachdem ich den letzten Tag und die letzte Stunde meiner Strafe abgesessen habe. Lauf doch hin und schrei hinter dem Schutzmann her, wenn es dir Spaß macht. Meine Papiere sind in Ordnung, ich bin entlassen - ich bin frei wie der Vogel in der Luft!«
    Dann lachte er so teuflisch, daß Mrs. Carawood das Blut in den Adern erstarrte, aber sie fühlte, daß er die Wahrheit sprach, und trat von der Tür zurück. In der Ferne verhallten die Schritte des Polizeibeamten. »Ist er fort?« fragte er spöttisch.
    Sie nickte und sank wieder in den Stuhl. In der Ferne grollte der Donner, und sie schauderte zusammen.
    »Neunzehn Jahre habe ich Zeit gehabt, darüber nachzudenken«, sagte er, »wie er vor mir am Boden lag und der Mond in sein bleiches, blutiges Gesicht schien.« Seine Finger krampften sich zusammen, obwohl er sich dieser Bluttat rühmte. »Aber ich habe es dem Schwein heimgezahlt! Warum mußte dieser Kerl mich auch stören? Es war doch nicht sein Geld, das ich der Bank klauen wollte. Was ging den blöden Affen das an!«
    »Er - er war ein Beamter, und du warst ein Dieb!«
    »Ja, deswegen ist er jetzt auch tot, und ich lebe«, entgegnete er brutal.
    Sie rang die Hände.
    »Man sollte denken, daß es dir Freude macht, dich daran zu erinnern. Sprich doch nicht davon, es wäre möglich, daß jemand es hört, wenn du es sagst, Joe!«
    »Na, und wenn sie es hören? Mir kann doch keiner mehr was tun, ich habe die Strafe abgesessen!«
    In dem Augenblick wurde der Raum taghell erleuchtet - ein Blitz zerriß das Gewölk. Sie sah sein kreidebleiches Gesicht in dem fahlen Licht; Wahnsinn glühte in seinen Augen.
    »Hast du deinen Freunden gesagt, daß du einen so schönen Mann hast?« fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf. Sie versuchte immer wieder, ihre Gedanken zu sammeln, aber es gelang ihr nicht.
    »Nein, Gott sei Dank, ich habe es

Weitere Kostenlose Bücher