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096 - Die Gräfin von Ascot

096 - Die Gräfin von Ascot

Titel: 096 - Die Gräfin von Ascot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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überwunden. Ich habe mein eigenes Leben gelebt und mich in die Höhe gearbeitet. Andere Frauen wären wahrscheinlich daran zugrunde gegangen.«
    Mit unsicheren Schritten trat er auf sie zu, als ihre Stimme leiser wurde und erstarb. Dann stand er vor ihr und hob wie früher brutal die Faust. »Bring mir was zu essen!«
    »Ja, ich werde etwas suchen«, erwiderte sie und schwieg dann plötzlich. Die Tür öffnete sich, und Herman trat in Hemdsärmeln herein. Die Hosenträger hingen herunter; er schien sich hastig angekleidet zu haben. Er sah verhältnismäßig harmlos aus, aber Joe war doch eingeschüchtert. »Wer ist das?« fragte er.
    »Der Junge -« begann sie.
    Er sagte nichts, sondern starrte Herman nur an. Dann verzerrte sich sein Gesicht plötzlich, und er faßte mit einer Hand an die Kehle, während er mit der anderen nach der Westentasche tastete. Schließlich brachte er ein kleines Fläschchen zum Vorschein, das er hastig an die Lippen führte. Dann atmete er tief auf. Die beiden anderen beobachteten, daß er sich langsam wieder erholte.
    »So, jetzt ist es besser. Ich stelle die Medizin hierher, wo ich sie immer sehen kann. Das ist das neue Mittel. Sie gaben es mir heute morgen im Krankenhaus. Es ist viel besser als die alte Brühe, die ich im Gefängnis zu schlucken bekam.!« Er sah wieder zu Herman hinüber.
    »Was ist geschehen, Mrs. Carawood?« fragte der junge Mann atemlos. Fast schien es ihm, als ob sich eine der Kriminalgeschichten, die er so gern hatte, hier vor seinen Augen abspielte. »Mrs. Carawood!« ahmte Joe seine Stimme nach.
    »So heiße ich«, sagte sie. »Laß den Jungen fortgehen, bevor wir uns aussprechen. Herman, gehen Sie zu Bett. Dies ist ein Mann, den ich vor Jahren näher kannte.«
    Herman nahm mechanisch die kleine Flasche und stellte sie auf den Kamin.
    »Aber er sieht - so sonderbar aus. Ich weiß nicht - soll ich nicht Mr. Fenner rufen?« fragte er leise, als sie nach der Tür wies. »Nein, nein, es ist schon alles in Ordnung. Er geht gleich wieder!« »So, ich bin also ein Mann, den du vor Jahren näher kanntest«, lachte er höhnisch, als Herman gegangen war. »Und dabei bin ich dein Mann!« Wütend schaute er sie an, während der Regen gegen die Fenster peitschte.
    »Meinst du, ich wüßte es nicht?« sagte sie bitter. »Ist das dein Junge - er nannte dich Mrs. Carawood?« »Nein, er gehört nicht mir. Er war ein armer kleiner Knirps, als ich ihn eines Tages im Polizeigericht sah. Ich nahm ihn zu mir und zog ihn auf. Er ist so dankbar, als ob er mein eigenes Kind wäre.« »So, um den Bengel hast du dich gekümmert, aber es ist dir nicht ein einziges Mal eingefallen, mich im Gefängnis zu besuchen. Gibst du das zu?« »Ja. Ich bin nicht zu dir gekommen.«
    »Ich weiß schon, was du gedacht hast. Du glaubtest, es wäre mit mir zu Ende, und darüber warst du froh. Aber du hast mich nicht zum letztenmal gesehen. Jetzt nennst du dich Mrs. Carawood. Was hat das zu bedeuten? Hast du wieder geheiratet?«
    »Nein, eine Ehe war gerade genug für mich. Aber du hast recht, ich wollte nicht wieder mit dir zusammenleben.« »Was sagst du da?« Er erhob sich drohend.
    »Ich habe vor Gericht gelogen, um dich zu retten. Ich habe alles für dich getan, weil ich mit dir verheiratet war; ich habe schwere Zeiten bei dir durchgemacht und dir immer geholfen. Stets habe ich zu dir gehalten, und immer war die Polizei hinter uns her, und wir mußten von einer Wohnung zur anderen fliehen. Und wenn ich mir etwas Geld gespart und ein paar Möbel gekauft hatte, dann hast du sie wieder versetzt. Schließlich war ich froh, als ich nicht mehr mit dir zusammenleben mußte.«
    »Du.«
    »Ich habe gebetet, daß sie dich henken sollten!« fuhr sie trotzig fort. »Aber ich habe ihnen nicht geholfen, daß sie dich zum Tode verurteilen konnten - trotz allem habe ich gelogen, um dein Leben zu retten. Und nun kommst du zu mir zurück!« rief sie verzweifelt.
    Draußen blitzte es unaufhörlich, der Donner rollte, und ein wolkenbruchartiger Regen ging nieder.
    »Jetzt verstehe ich alles«, erwiderte er heiser. »Du wolltest also, daß sie mich henken sollten!« Er packte sie am Arm, und seine scharfen Fingernägel gruben sich in ihr Fleisch, so daß sie stöhnte. »Dafür sollst du mir noch büßen! Morgen fliegt das Firmenschild mit den goldenen Buchstaben herunter, und dann kommt dein richtiger Name hin - Hoad! Und jetzt scher dich fort und hol mir etwas zu essen, oder.« Sie dachte an die früheren Zeiten und

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