Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0962 - Der Leichenflur

0962 - Der Leichenflur

Titel: 0962 - Der Leichenflur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
hatte er sicherlich nicht auf dem Gewissen.
    Es war diese feinstoffliche Erscheinung gewesen! Sie war gefangen in diesem Haus und konnte es nicht verlassen, weil sie unter einem bestimmten Druck stand.
    Es gab auch Regeln in der feinstoffliehen Welt, aber ich hatte keine Lust, mir jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. Es würde eine akzeptable Lösung geben, da war ich sicher, und ich würde sie auch finden, ebenso wie das Motiv.
    Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob ich mich von meinem Bett. Ich trat genau auf die Stelle, in oder an der sich die Erscheinung zuletzt gezeigt hatte. Zu spüren war nichts, auch nicht, als ich nach dem Bücken die Hand dorthin legte. Da strömte keine Kälte auf meine Haut über.
    Der Geist hatte sich voll und ganz zurückgezogen. Natürlich fragte ich mich, wo er jetzt steckte. Unwillkürlich schaute ich mich um. Diese feinstoffliche Erscheinung konnte sich jedes Versteck leisten. In der Decke, der Wand und - wie gesehen - im Fußboden.
    Auf der anderen Seite war ich froh, das Gesicht gesehen zu haben.
    Jetzt wußte ich wenigstens, mit wem ich es zu tun hatte. Ich kam mir nicht mehr so überflüssig vor.
    Allerdings in meiner trostlosen Bude. Sie war wirklich nicht viel wert. In ein derartiges Zimmer ging man, um Selbstmord zu begehen, das war alles.
    Nur wollte ich noch für einige Zeit am Leben bleiben. Auch wenn das in meinem Job nicht immer einfach war. Etwas zurückhaltend zog ich die Tür auf.
    Es war wieder ruhig auf dem Korridor geworden. Selbst von Raver hörte ich nichts. Aber normal kam er mir trotzdem nicht vor. Er glich eher einem Tunnel, der voller Überraschungen steckte, die sich allerdings nicht zeigten.
    Das wiederum ärgerte mich. Ich kam mir beobachtet vor. Unsichtbare Augen lauerten, taxierten mich, verfolgten jeden meiner Schritte, aber die Erscheinung brauchte nicht lange zu schauen, denn mein Weg führte mich wieder zu Ginny Day. Ich wollte sehen, ob es ihr gutging und die Erscheinung nicht vor dem Besuch in meinem Zimmer bei ihr zugeschlagen hatte. Ziemlich laut klopfte ich gegen ihre Tür und hörte ein Geräusch, das nur entfernt Ähnlichkeit mit einer Stimme aufwies.
    Ich trat ein.
    Ginny hatte ihren Platz am Tisch nicht verlassen. Nur die Sitzhaltung hatte sich verändert. Sie kam mir vor, als hätte ihr jemand befohlen, diese Pose einzunehmen. Ihr Kopf war nach vorn gesunken. Sie umklammerte mit einer Hand die beinahe leere Schnapsflasche und schaute jetzt mühsam hoch, als ich auf sie zuging.
    Dann lachte sie.
    Dieses Lachen kannte ich. Betrunkene lachten so, und Ginny war wirklich voll. Vielleicht hatte sie in ihrer Lage genau das Richtige getan. In diesem Zustand konnte sie einiges vergessen. Nur gab es auch eine schlechte Seite. Als Betrunkene war sie wehrlos, da hatten der Geisterkiller oder auch der Zuhälter leichtes Spiel.
    Sie war nicht so betrunken, als daß sie mich nicht erkannt hätte. Sogar meinen Namen wußte sie noch.
    »John - hi…«
    Ich nickte. »Hi, Ginny.«
    »Wie geht es dir, John?« lallte sie, ohne den Kopf zu heben. »Mir geht es beschissen. Ich habe mir furchtbar einen gepackt, verstehst du? Schrecklich gesoffen…«
    »Geht schon in Ordnung, Ginny, aber das hier ist kein guter Platz für dich.«
    »Warum nicht?« murmelte sie müde.
    Ich löste ihre Hand von der Flasche und gab ihr erst dann die Antwort.
    »Ich werde dich in dein Bett bringen, Ginny, da bist du jetzt besser aufgehoben.«
    »Wieso?«
    »Komm.«
    Sie war schwer. Ich faßte sie unter, und aus eigener Kraft konnte sie sich kaum bewegen. Sie hing wie eine Stoffpuppe in meinen Armen, murmelte immer etwas vor sich hin, ohne daß ich davon ein Wort hätte verstehen können.
    Der Weg zum Ziel war nicht weit. Ginny ließ sich auf, das Bett drücken.
    Sie lag auf dem Rücken. Ich konnte in ihr Gesicht schauen, in dem die Augen tatsächlich einen glasigen Ausdruck angenommen hatten. Die Lippen bewegten sich noch immer, aber ich hörte nichts mehr.
    Ich deckte sie zu.
    Bevor ich ging, streichelte ich ihr Gesicht, und sie hielt meine Hand fest.
    »Du bist toll, John, ehrlich. Du bist einfach irre.«
    »Klar, Ginny, geht schon klar.«
    »Willst du weg?«
    »Ja.«
    »Ich bin so müde.«
    »Dann schlaf jetzt.«
    Sie murmelte etwas, und ihre Augen schlossen sich. Ich hatte zu ihr gesprochen wie zu einem kleinen Kind, und das schien ihr gefallen zu haben.
    Auf leisen Sohlen verließ ich das Zimmer, schloß die Tür und atmete zunächst tief durch. Das war geschafft. Schritte

Weitere Kostenlose Bücher