0964 - Blutfehde
und Finanzwelt Newcastles rekrutierten. Lediglich der letzte Tote, ein gewisser Jean Thibaut, war ein einfacher Security-Mann gewesen. Gefunden worden war er erst am gestrigen Tag. Er war ebenfalls hier im Hafen ermordet worden.
Für Seagrove stand jedoch fest, dass es sich in allen Fällen um ein und denselben Täter handelte. Alle Opfer hatten ausgesehen, als habe man sie durch einen Fleischwolf gedreht.
Und mittlerweile hatte der Chief Inspector auch schon eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wer der oder die Mörder waren. Vor gut fünfeinhalb Jahren hatte er schon einmal mit ihnen zu tun gehabt.
Edward LaGrange und seine verfluchte Sippe.
»Entschuldigen Sie, mir ist ein bisschen flau im Magen«, erklärte Seagrove. Die Luft in der schmalen Gasse zwischen den Lagerhäusern schien ihm immer stickiger zu werden. Er wusste, lange hielt er es hier nicht mehr aus. »Sie kommen alleine klar?«
Der Beamte nickte. »Gehen Sie ruhig, wir haben alles im Griff.«
Wortlos machte Seagrove kehrt und begab sich zurück ins Freie. Nachdenklich ließ der knochige Chief Inspector die Lagerhallen hinter sich, um in Richtung Kai zu gehen. Unruhig klatschte das Wasser gegen das alte Gemäuer.
Während Seagrove abwesend das Spiel der Wellen verfolgte, dachte er zurück. Damals war ein selbsternannter Werwolfjäger in der Stadt aufgetaucht und hatte wild um sich schießend ein Restaurant gestürmt, das LaGrange gehörte. Wie Seagrove im Zuge seiner Ermittlungen herausfand, handelte es sich bei dem Industriellen und seiner Familie tatsächlich um Werwesen, allerdings nicht um Wölfe. Stattdessen waren sie eher mit den Dingos, australischen Wildhunden, verwandt.
LaGrange und seine Sippe planten damals im Untergrund von Newcastle irgendein dämonisches Experiment, das völlig aus dem Ruder zu laufen schien. Ein französischer Parapsychologe hatte Seagrove damals unterstützt und das besagte Experiment schließlich gerade noch rechtzeitig gestoppt. Der Werwolfjäger, durch den sie überhaupt erst auf die Machenschaften der Dingokreaturen aufmerksam geworden waren, war im Zuge der Ereignisse ums Leben gekommen.
Zamorra lautete der Name des mutigen Parapsychologen, der ihm damals zur Seite gestanden hatte. Er hatte Seagrove damals eingeschärft, sich sofort bei ihm zu melden, falls sich wieder einmal etwas Ungewöhnliches in Newcastle ereignete.
Und genau das hatte Seagrove auch getan. Die Mordserie wuchs ihm allmählich über den Kopf und die grauenhaft zugerichteten Leichen der Opfer deuteten seiner Meinung nach eindeutig auf die Werdingos als Urheber hin.
Missmutig beobachtete Seagrove eine leere Getränkedose, die im Spiel der Wellen tanzte.
Zamorra hatte ihm am Telefon versprochen, so schnell wie möglich zu kommen. Er hoffte inständig, dass der Franzose es schaffte, pünktlich zu ihrem verabredeten Treffen in Sydney aufzutauchen, denn allmählich begannen sich die Leichen zu stapeln!
Mit einem Mal hörte der hagere Chief Inspector Tumult hinter sich. Er wandte sich um. Ein klein geratener Mann, der aber ebenso hager wie Seagrove selbst war, hatte die Absperrungen durchbrochen und eilte in Richtung Tatort.
Seagrove seufzte.
»Sind Sie auch schon aus dem Bett gefallen?«, fragte er den Neuankömmling mit galliger Ironie. Es handelte sich bei dem Mann nämlich um Phil Choolin, einen seiner beiden Assistenten. »Und wo haben Sie Bullrick gelassen?«
Choolin zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung, wo er steckt«, musste er zugeben. »Hat man schon etwas herausfinden können?«
Mit einem Mal fühlte sich Seagrove, als würde er die gesamte Last des Polizeiapparats von Newcastle persönlich auf seinen Schultern tragen.
»Fragen Sie die Jungs selbst«, erklärte er und deutete auf den dunklen Raum zwischen den beiden Lagerhallen. »Gehen Sie einfach der Nase nach! Wenn Sie mich suchen, ich bin in meinem Wagen…«
Ohne eine Antwort abzuwarten, stapfte Seagrove davon. Er fragte sich, welches unfreundliche Schicksal ihn wohl mit Assistenten wie Choolin und Bullrick gesegnet hatte. Abermals hoffte er inständig, dass Zamorra es schaffte, pünktlich zu ihrem Treffen zu erscheinen.
***
Wie sich schon bald herausstellen sollte, hatte es Zamorra nicht geschafft.
Nicole Duval, Zamorras Partnerin, teilte ihm am Treffpunkt in einem Café in Sydney mit, dass der Professor noch eine andere, höchst dringliche Terminsache zu erledigen hatte. Der Silbermond-Druide Luc Avenge hatte Zamorra einfach aus dem Café mittels
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