0965 - Der Killerbaum
kräftigen Wurzelwerk federnd nach vorn und stand plötzlich am Rand des Wegs.
Ich fuhr an.
Der Rover machte einen Satz nach vorn. Aus dem Augenwinkel bekam ich dennoch mit, was da geschah, denn das Gebilde wollte unsere Flucht verhindern.
Es sah so aus, als würde sich der Baum vor uns verbeugen wollen, um uns seine Referenz zu erweisen. Das Gegenteil war der Fall. Er wollte uns haben und senkte uns deshalb sein Astwerk entgegen, das sich so geschmeidig bewegen konnte, wie es auch bei normalen Armen der Fall war.
Die Reifen radierten über den Untergrund. Sie hinterließen lange Streifen. Diesem Killer traute ich durchaus zu, daß er unseren Wagen packte, ihn in die Höhe wuchtete, um ihn später zusammen mit uns in das Gelände zu schleudern.
Wir waren schnell, der Baum war es ebenfalls.
Etwas krachte auf das Dach. An Sukos linker Beifahrerseite kratzten die Zweige wie gekrümmte Totenfinger entlang, aber sie fanden keine Stelle, an der sie sich verhakten. Sie rutschen ab. Ich beschleunigte stärker, hörte, wie etwas auf den Kofferraum schlug und dort sicherlich eine Beule im Blech hinterlassen hatte. Noch ein Ast prallte auf das Dach, so daß wir beide unwillkürlich zusammenzuckten, aber dann hatten wir den Ort der Gefahr hinter uns gelassen und atmeten zunächst tief durch.
»Du hattest recht, John, denke ich.«
»Womit?«
»Mit deiner Befürchtung. Es wäre nicht so gekommen wie in der Bibel. Diesmal hätte David verloren.«
»Leider ja.«
Die Entfernung zwischen uns und dem Baum war gewachsen. Ich konnte das Risiko eines Stopps eingehen. Als der Wagen stand, öffneten wir die Türen, stiegen aber nicht aus, sondern schauten zurück.
Trotz der hochgewachsenen Bäume war es hell genug, um den Baum erkennen zu können. Er hatte sich tatsächlich aus dem Wald gedrückt und den Weg erreicht. Dort bewegte er sich weiter. Meter für Meter. Es gab nichts, was ihn aufhalten konnte.
Wir schlossen wieder die Türen und schauten uns an. In unseren Augen stand wahrhaftig kein Optimismus. »Wie stoppen wir ihn?« fragte Suko.
»Welche Chancen gibt es?«
»Keine Ahnung.«
»In ihm steckt eine dämonische Kraft, sonst hätte ihn die Peitsche nicht verletzen können. Wenn ich dich damit schlage, geschieht nichts, bei ihm war es anders. Er wird von einem Dämon oder wem auch immer geleitet.«
»Mandragore?«
Ich hob die Schultern.
»Du stehst ihm noch immer positiv gegenüber, wie?«
»Nein, neutral. Er hat seine Berechtigung, das weißt du, aber ich spreche sie ihm ab, wenn er sich oder auch durch seine Diener an Unschuldigen vergreift.«
»Dann müssen wir uns etwas einfallen lassen. Und zwar schnell - bevor der Killerbaum Duncton erreicht und dort seine Zerstörung fortsetzt.«
»Man könnte ihn mit Feuer bekämpfen.«
»Flammenwerfer?«
»So ähnlich.« Ich schaute in den Rückspiegel und sah, daß er schon näher an uns herangekommen war.
»Erst einmal haben, John.«
»Die gibt es beim Militär.«
»Wo, bitte, ist die nächste Kaserne?«
Ich winkte ab. »Es waren ja nur Überlegungen.«
Auch Suko hatte den Baum beobachtet. »Ich will dir ja keine Vorschriften machen, John, aber ich denke schon, daß wir jetzt starten sollten, sonst greift er uns noch.«
Ich drehte den Zündschlüssel. Der Motor sprang an. Wenigstens auf den Rover konnten wir uns verlassen. Unser eigentliches Ziel hatten wir noch gar nicht erreicht, und wir diskutierten gemeinsam darüber, ob es Sinn hatte, dem Förster einen Besuch abzustatten.
»Kann er denn mehr wissen?« fragte Suko.
»Ist schwer zu sagen. Laut Lindners Aussagen soll er selbst überrascht gewesen sein. Angeblich hat er den Baum noch nie gesehen. Was ich mir einfach nicht vorstellen kann.«
»Ich auch nicht.«
»Okay, dann fahren wir zu ihm. Die Zeit müssen wir uns einfach nehmen.«
»Wie lange, glaubst du, wird es dauern, bis das Bäumchen Duncton erreicht hat?«
»Hoffentlich lange.«
»Darüber kann ich nicht mal lachen, John.«
***
Das Haus des Försters lag nicht weit von seiner Arbeitsstelle, dem Wald, entfernt. Es war klein und hatte einen Anbau, in dem kein Licht brannte, im Gegensatz zum Wohnhaus, in dem einige Fenster erhellt waren.
»Zumindest ist jemand zu Hause«, sagte Suko, als wir auf das Haus zugingen. Es war ein älterer Bau mit hellgrün gestrichenen Mauern und weißen Fensterrahmen. Auch die Haustür zeigte einen grünen Anstrich, allerdings etwas dunkler, und sie wurde uns geöffnet, bevor wir noch hatten klingeln
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