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0965 - Die zweite Unendlichkeit

0965 - Die zweite Unendlichkeit

Titel: 0965 - Die zweite Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Heute ist mein Geburtstag.«
    »Na, Happy Birthday«, brummte Kyrgon trocken. Dann hob er die Arme in die Höhe, als wolle er so seinem Frust ein Ventil bieten.
    »1984, 2011, 2045« Zamorra schüttelte den Kopf. »Sie haben offenbar voll ins Schwarze getroffen, Ben. Sieht ganz so aus, als wären wir wirklich die Nachfahren dieser armen Gestalten hier.« Damit deutete er auf die Leichenversammlung an den Tischen.
    »Und die haben verloren«, ergänzte Nicole unbehaglich.
    Kyrgon grunzte. »Neues Spiel, neues Glück«, murmelte er und trat zum Fenster. » Faites vox jeux. « Schweigend starrte er hinaus ins Nichts.
    »Wohl eher Rien ne vas plus «, sagte Ben. »Oder hat etwa jemand von Ihnen eine Ahnung, wie das hier weitergehen soll? So wie ich das sehe, bleibt uns nichts, als abzuwarten, bis dieses Haus uns die nächste Falle stellt. Und die übernächste. Und immer so weiter.« Sichtlich erregt trat er zu dem toten Dandy und seinem Cro-Magnon-Begleiter. »Bis wir irgendwann alle so enden wie Mister Darcy und Fred Flintstone hier. Allzu lange wird's schon nicht dauern.«
    Zamorra machte einen Schritt auf ihn zu. Ellie spürte die Ruhe, die der Professor ausstrahlen wollte, körperlich. »Sie vergessen da etwas«, sagte er. »Unsere Talente. Sie und Ihre Schwester, Nicole und ich, Kyrgon - Wir sind vielleicht zufällig ausgewählt worden, aber wir sind nicht zufällig hier . Ich glaube fest daran, dass wir bei diesem Irrsinn eine Funktion erfüllen - eine, die über Kanonenfutter hinausgeht. Warum sonst sollte unser unbekannter Fädenzieher sich die Mühe machen, fünf übersinnlich Begabte zu sich zu holen?«
    »Wir sind neue Spielfiguren«, ergänzte Nicole fest. »Aber wir sind welche mit einem Twist. Vielleicht unterscheidet uns das von unseren Vorgängern. Wir müssen nur herausfinden, wie die Regeln dieses Spiels sind. Dann haben wir auch eine Chance, es zu gewinnen.«
    Ben war unbeeindruckt, das spürte Ellie. Aber er wollte ihren Worten Glauben schenken.
    »Regeln.« Kyrgon schnaubte. »Was sollen denn hier für Regeln gelten? In diesem Scheißspiel verändert sich ja sogar das Brett schneller als wir hinsehen können!« Der Jäger hatte sich nicht umgedreht, doch Ellie wusste auch so, wie frustriert er war.
    »Das Brett?«, fragte sie.
    »Ist euch das nicht aufgefallen?«, gab er zurück. »Die Wege, die wir hier entlangflüchten, sind nie dieselben, auch wenn wir auf identischem Kurs bleiben. Wenn ich nicht völlig falsch liege, müsste das hier das Zimmer sein, indem wir zuletzt waren. Bevor wir die Asiatin suchen gingen. Und doch ist es das nicht. Warum? Weil… Ach, was weiß ich? Weil sich die Zimmer verschieben, wenn niemand aufpasst? Weil…« Er brach ab. Als er sich umdrehte, loderte Aggressivität in seinem Blick.
    Zamorra nickte. »Den Eindruck hatte ich ebenfalls. Wir befinden uns an einem Ort, der sich stetig verändert.«
    »Aber das ist architektonisch unmöglich!«, protestierte Ellie. »Unlogisch.«
    Kyrgon funkelte sie an, als sei er der böse Wolf und sie das Mädchen mit dem roten Kopftuch. »In so einer Situation kommst du mit Logik?«
    »Erinnern Sie sich an den Moment im Flur, als die Tür zum Zimmer der Asiatin aufging und wir Zeugen ihres Erstickungstodes wurden?«, fragte Zamorra - auch, wie Ellie wusste, um der Situation die Spannung zu nehmen. »Schon damals hätte ich schwören können, dass diese Tür zwei Sekunden vorher gar nicht da gewesen war. Gleiches gilt für die Spinnen, die uns eben angriffen.«
    Schweigend harrten die Gefährten inne und versuchten, die Information sacken zu lassen. Man musste kein Telepath sein, um zu ahnen, wie wenig sie ihnen gefiel. Und wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich waren, hatten sie es - tief drin - alle gespürt.
    Ellie schwindelte. Erschöpft und hoffnungslos überfordert trat sie beiseite und stützte sich mit der Rechten an der Rückenlehne des nächstgelegenen Stuhles - dem mit dem Brontë-Typen. Dann schloss sie die Augen.
    Wird schon wieder , dachte sie. Tief durchatmen. Ist nur ein kurzer Schwächemoment.
    Sie öffnete sie gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie sich die Hand des toten Dandys um ihr Handgelenk schloss!
    ***
    Es waren zu viele!
    Kyrgon wusste es instinktiv. Jeder gute Jäger spürte es, wenn er unterlegen war. Dies war ein Kampf, den er nicht gewinnen konnte.
    Er focht ihn trotzdem aus. Was hatte er noch zu verlieren?
    Wohin er auch schaute, kehrte das Leben zurück in die Leiber der Toten. Und zwar rasend schnell!

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