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0965 - Die zweite Unendlichkeit

0965 - Die zweite Unendlichkeit

Titel: 0965 - Die zweite Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Schluss brüllte er geradezu. Seine anklagenden Worte hallten von den Wänden des Schankraums wider. Die schüchterne Ellie zuckte zusammen, als habe er sie körperlich bedroht.
    »Ich fürchte«, begann Zamorra, »diese Frage kann ich Ihnen auch nicht…«
    » Drake's Eight «, unterbrach ihn Willoughby. Er war blass geworden, doch in seinen Augen glühte ein Feuer absoluter Begeisterung. »So heißt das Universum. Drake's Eight. Und ja, Mr. Kyrgon, es ist genauso absurd wie Sie ihm vorwerfen.«
    Zamorra blinzelte. »Ich verstehe nicht. Was meinen Sie?«
    »Verstehen?« Smith lachte. »Monsieur, von Verständnis bin ich ebenfalls weit entfernt. Aber wenn Sie mich fragen, wie ich auf die Idee kam, ein Getränk namens McAllie's Finest gegen Ihre untoten Angreifer zu verwenden, muss ich Sie auf das Drehbuch zu Drake's Eight verweisen. Ich bekam es vergangene Woche auf den Schreibtisch. Einer meiner ehemaligen Studenten hatte es mir geschickt, in der Hoffnung, ich würde es - und somit ihn - fördern. Finanziell unterstützen. So etwas kommt gelegentlich vor, und bisher habe ich noch jede Anfrage dieser Art abgelehnt. Auch Drake's Eight - übrigens eine himmelschreiend schlechte SF-Räuberpistole mit Pappcharakteren vom Fließband und einer Handlungsführung ohne Sinn und Verstand - hatte nicht einmal die Zeit verdient, die ich brauchte, es zu lesen.« Er schüttelte den Kopf, verloren in der eigenen Erinnerung.
    »Und dann?«, fragte Nicole.
    »Nun, in diesem Machwerk gab es eine Szene, in der der Held einen Raumhafen erreicht und in der dortigen Kaschemme von einer Gruppe Untoter attackiert wird«, antwortete Willoughby. »Er besiegt sie, indem er sie mit Bier beschießt. Ganz, wie es mir hier gelungen ist. Als ich das Drehbuch las, hielt ich die Idee für bizarr - inzwischen bin ich meinem ehemaligen Studenten regelrecht dankbar dafür, dass er so ein mieser Autor ist.«
    »Das ergibt doch keinen Sinn«, beschwerte sich Ben. »Selbst wenn die Biersache in einem Drehbuch plausibel erscheint - dies ist die Wirklichkeit! So etwas würde hier nie funktionieren.«
    Zamorra hob die Hand. »Sie vergessen etwas, Ben«, sagte er. »Dieses Haus richtet sich nach uns. Seine Herausforderungen waren bisher stets dergestalt, dass sie wie maßgeschneidert zu uns passten. Sie konnten Nicole retten, weil Sie das Haus erlauschten . Ich konnte die Spinnen besiegen, weil ich magische Waffen beherrsche. Und Mr. Smith konnte uns vor den Zombies retten, weil er - nun ja, weil er wusste, wie. Weil nur er den Hinweis verstand, den das Haus uns in dieser Falle gab: die Biersorte.« Er hielt inne, sah von einem fragenden Gesicht zum anderen. Dann fuhr er fort. »Absurd oder nicht, in jeder Gefahr, die sich uns bisher stellte, gab es einen ganz klar definierten Ausweg. Ich glaube, unsere Aufgabe bei diesem Spiel besteht darin, ihn zu finden. Gelingt es uns, kommen wir eine Etappe weiter. Versagen wir, heißt es Game Over.«
    Alle schwiegen. Zamorra ahnte, dass sie der gleichen Ansicht waren, auch wenn es niemand auszusprechen wagte.
    »Und er?«, brauste Kyrgon schließlich auf. Mit ausgestrecktem Finger deutete er auf Willoughby. »Sie haben auch gesagt, dass jeder von uns hier ist, weil er eine übersinnliche Begabung besitzt. Was ist seine, Zamorra, he? Bier zapfen?«
    »Die tote Frau, die Ihren Kopf wie ein Schraubstock in ihren Händen hielt, als ich zu Ihrer Rettung eilte«, sagte Smith leise. »Sie trug einen Nerz. Und silberne Ohrringe.«
    »Und?«, gab Kyrgon zurück. »Kann sein. Was soll's?«
    »Miss Campbell hier hat sich bereits fünf Mal geräuspert, seit wir hier sitzen. Die Raumtemperatur in diesem Zimmer beträgt etwa achtzehn Komma zwei Grad Celsius. Dem Zustand von Miss Duvals Kleidung und ihrer vermutlichen Körpertemperatur von 37 Grad nach zu urteilen dauert es viereinhalb Stunden, bis diese wieder vollständig getrocknet ist - vorausgesetzt, wir verändern unseren Aufenthaltsort nicht.«
    Kyrgon sah ihn an, als wolle er ihm den Schädel einschlagen.
    Doch Smith lächelte nur. »Ich vergesse nie eine Information, Herr Kyrgon«, sagte er freundlich. »Nie. Ganz egal, wo ich sie aufschnappe und wie belanglos sie ist. Das konnte ich schon immer. Ich schätze, das ist mein Talent.«
    »Na bravo«, knurrte der Jäger, trat zum Fenster und sah hinaus.
    ***
    »Eigentlich paradox, oder?«
    Nicole wandte den Kopf und sah Willoughby Smith neben sich. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie ihn nicht hatte kommen hören.

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