0967 - Spur zur Angst
denn ständig waren Scoutboote unterwegs, um aufstrebende Zivilisationen zu finden, die einer Gefahr gegenüberstanden, ganz gleich, ob diese Gefährdung aus einer eigenen Fehlentwicklung bestand oder dem Expansionstrieb einer fremden Macht.
Doch die weiße Stadt veränderte alles.
Die beiden Monde konnten die Welle der Flüchtlinge nicht aufnehmen, dazu fehlte es auf den Trabanten an Platz und einer entsprechenden Logistik. Also starteten ohne Unterlass Schiffe, die zu lebensfreundlichen Welten aufbrachen, um dort eine neue Heimat zu errichten.
Der Exodus war nicht aufzuhalten.
Zurück blieb eine weiße Welt. Kalt und hart wie der Stein, aus dem sie gemauert war.
Das Archiv war bereits zu Anfang dieser Entwicklung nach Rof verlegt worden. Das alles war zwar sehr provisorisch, doch es war besser als nichts. Fortisa hatte sich rasch mit dieser Entwicklung abgefunden und war wie gewohnt ihrer Arbeit nachgegangen.
Irgendwann war dann die Wende gekommen.
Die Wurzel der weißen Stadt starb! Die Welt war wieder frei. Nach und nach kehrte das Volk zurück und riss die bleichen Steine aus der Erde, als wären sie böses Unkraut. Fortisa hatte all das von Rof aus genau beobachtet; sie sah den Wiederaufbau, die schleichend langsame Rückkehr von so etwas wie Normalität. Doch da war noch mehr, das sie entdeckte. Und einiges machte ihr Angst.
Die Gelassenheit, die Offenheit und positive Einstellung zum Leben waren verschwunden. Der größte Wert wurde auf die Verteidigungsanlagen gelegt, die den Planeten vor Angriffen aus dem All schützen sollten. Die Sprache hatte sich verändert - harte Worte dominierten sie mit einem Mal. Und die Wesen, die sie aussprachen, hatten den alten Glanz ihrer Augen verloren.
Es gab keine weiße Stadt mehr. Und doch war ihr Schatten überall zu entdecken.
Diese Welt würde nie wieder das sein, was sie einmal so einzigartig gemacht hatte. Fortisa wusste, dass auch das Zentralarchiv ein indirektes Opfer dieser Entwicklung werden musste. Für solche Dinge fehlte dem Volk nun gänzlich der Sinn.
Die ersten Räume, durch die Fortisa schritt, beinhalteten Artefakte, die aus fremden Zivilisationen ihren Weg hierher gefunden hatten. Um sie würdig präsentieren zu können, fehlte hier ganz einfach der Platz, also war das meiste in Kisten und Kartons verstaut.
Fortisa setzte ihren Weg fort. Sie spürte bei jedem Schritt, dass ihr Körper bald an seiner allerletzten Grenze angelangt sein würde. Wahrscheinlich würde man ihren Tod nicht einmal registrieren. Es kümmerte sich niemand um sie, da kamen keine Nachfragen; hätte sie das Archiv vor Jahr und Tag einfach verlassen, wäre auch das unbemerkt geblieben.
Und so würde es nach ihrem Ableben auch sein - sicher würde man irgendwann einmal ihre Leiche finden und sich fragen, warum hier überhaupt jemand gelebt hatte. Wahrscheinlich würde dann alles sehr schnell gehen. Das Archiv würde aufgelöst, sein Inhalt vielleicht sogar komplett vernichtet werden.
Fortisa strich sich mit dem Handrücken über die heiße Stirn. Nein, es ging ihr alles andere als gut. Sie setzte sich in einen der uralten Sessel, von denen sie sich nie hatte trennen können. Dann nickte sie - gut, wenn es denn jetzt also so weit war, dann durfte sie nicht mehr zögern. Doch zuvor war noch ein Rundgang erforderlich um zu prüfen, ob alle Ladungen korrekt platziert waren.
Fortisa stemmte ihren Körper aus dem Sessel in die Höhe, doch sie hatte plötzlich nicht mehr die Kraft dazu. Hilflos sank sie zurück in die Polster. Sie zwang sich selbst zur Ruhe. Es half nichts - erst musste sie sich ausruhen. Und auf die Zeit eines kleinen Regenerationsschlafes kam es nun wirklich nicht an.
Fortisa schloss die Augen und war nahezu zeitgleich eingeschlafen.
Der letzte Schlaf vor ihrem Tod.
Er blieb traumlos.
***
»Grün, grün, grün sind alle meine Kleider, grün, grün, grün ist alles, was ich hab.«
Kopfschüttelnd betrat Ted Ewigk den grünen Bereich.
Warum gingen ihm die ersten beiden Zeilen dieses uralten Kinderliedes einfach nicht mehr aus dem Kopf? Grün - das war zurzeit nun nicht eben seine Lieblingsfarbe, nicht nach dem, was er bei dieser verrückten Mysati erlebt und durchlitten hatte. Er konnte es kaum fassen, dass er sich jetzt freiwillig wieder hierher begab. Doch was anderes hätte er jetzt noch tun können?
Ted gab sich alle Mühe um martialisch-männlich zu wirken, als er eintrat. Ob er damit genug Eindruck auf Mysati machen konnte, um sie zum Sprechen zu
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