0968 - Ritter, Blut und Teufel
gesprochen…
Klar, daß mir sofort Edna Miller einfiel. Es war nur ein flüchtiger Gedanke, aber er setzte sich so tief in mir fest, daß mir der Schweiß ausbrach.
Die Jacke hatte ich ausgezogen, nun streifte ich sie mir wieder über. Sie war aus dunkelblauem Wildleder und paßte sich deshalb gut der Finsternis an. Meine Beretta trug ich am Körper.
Vor mir lag nicht nur der Weg zur Tür, dann der durch den Flur, sondern auch die Strecke, die mich über die Treppe hinweg nach unten führte. Und das mit meinem verstauchten Knöchel.
Ich schluckte meine Wut hinunter und humpelte los. Es war ein Klacks, die Tür zu erreichen, für einen gesunden Menschen, versteht sich, ich aber hatte schon meine Mühe. Da ich nicht humpeln wollte, schleifte ich mit dem rechten Schuh über den Boden und trat nie länger durch einen verstärkten Druck auf.
So ließ es sich einigermaßen ertragen, und ich kam gut von der Stelle.
Die Tür ließ sich leicht öffnen. Sehr vorsichtig schob ich mich aus dem Zimmer. Die Millers vermieteten nicht viele Zimmer. Es waren nur insgesamt vier, die sich auf dieser Etage verteilten. Meines war das letzte im Gang.
Ich mußte ihn ganz durchgehen, um den Anfang der Treppe zu erreichen. Es war nicht völlig finster. Am Ende des Flurs strahlte eine kerzenartige Wandleuchte ihr Licht ab, das auch die ersten Stufen der Treppe berührte. Da blieb ich stehen und versuchte zunächst einmal, meinen Fuß zu vergessen. Ich schaute so weit hinunter wie möglich, ohne jedoch etwas Verdächtiges zu entdecken.
Zum zweiten hörte ich auch kein Geräusch. Die Stille umgab mich tatsächlich wie eine dicke Bleischicht. Nichts durchbrach sie. Kein Geräusch, keine Stimme, sie blieb in diesem Haus, als hätte sie sich zwischen den Wänden festgefressen.
Vor mir lag das schwerste Stück Arbeit. Beim Hinabgehen konnte ich keine Stufe auslassen. Ich würde mich über die Stufen hinwegquälen und mich dabei am Geländer festklammern müssen.
Lieber wäre es mir gewesen, die Treppe nach unten schleichen zu können, das war leider nicht möglich, und so kämpfte ich mich vor.
Die Finger der linken Hand waren um das Geländer gekrallt wie die Klaue eines Vogels. Ich rutschte Stück für Stück und Stufe für Stufe weiter, belastete beinahe ausschließlich nur mein linkes Bein und hüpfte manchmal sogar weiter.
Der Killer hatte es besser als ich. Erstens konnte er sich lautlos bewegen, was ich leider nicht schaffte, und zweiten erwartete er mich und hatte sich deshalb die günstigste Position aussuchen können.
Wenn ich meine Chancen ausrechnete, so standen sie achtzig zu zwanzig gegen mich.
Trotzdem machte ich weiter. Ich kannte Situationen, in denen es schon schlimmer ausgesehen hatte.
Die Treppe schaffte ich.
Vor der ersten Stufe blieb ich stehen. Tiefes Durchatmen. Schweiß stand mir auf dem Gesicht. Eine Stille, die nur im Rhythmus meines Herzschlags unterbrochen wurde.
Ich wartete ab. Nichts war zu hören. Auch außerhalb des Hauses hatte sich die Ruhe der Nacht ausgebreitet.
Wo konnte sich der verfluchte Killer aufhalten?
Es gab eigentlich nicht viele Möglichkeiten. Mir fiel als erstes die Gaststube ein. Um sie zu erreichen, mußte ich den Flur verlassen.
Dort lag der Gang, der auch zur Küche führte. Sie befand sich an der linken Seite. Einige Meter weiter waren die Toilettenräume für die Gäste. Die Millers selbst lebten in einem kleinen Anbau hinter dem Haus. Ihn konnten sie von der Theke her erreichen.
Ich wollte zunächst in der Gaststube nachschauen. Wieder rutschte und humpelte ich über den Boden, hinterließ zwangsläufig Geräusche und mußte enttäuscht feststellen, daß die Tür zum Gastraum abgeschlossen worden war und auch kein Schlüssel von außen steckte.
Das war schlecht.
Zu versuchen, die Tür aufzubrechen, hatte keinen Sinn. Ich mußte anders weiterkommen und zuerst einen Raum durchsuchen, dessen Tür nicht verschlossen war.
Der nächste war die Küche.
Ich drehte mich auf der Stelle – natürlich wieder vorsichtig – und dachte dabei an Edna Miller. Bisher hatte sich der Ritter nur Frauen geholt, und sie war die einzige Frau in diesem Haus. An weitere Gäste wollte ich nicht denken, ich hatte auch keine gesehen, so konzentrierte ich mich auf die Besitzerin, die ihr Reich in der Küche gehabt hatte.
Dieser Gedanke und zugleich der Anblick der Küchentür ließ in meinem Innern ein verdammt mieses Gefühl zurück. Mein Magen schien mit Stacheldraht umwickelt worden zu
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