0968 - Ritter, Blut und Teufel
Büroräume und der Flure, die ebenfalls ein unpersönliches Flair vermittelten. Einige Türen waren nicht ganz geschlossen. Durch die Spalten drangen die leisen Geräusche der Computer-Tastaturen. Sie waren bei jedem Schritt die Begleitmusik der beiden Frauen, die sich an der rechten Seite des Gangs verabschiedeten, denn Britta Melrose hatte Jane nicht durch ihr Vorzimmer geführt, sondern direkt hinein in das Büro ihres Chefs.
Jane betrat keinen Saal. Der Raum war sogar relativ klein, wirkte aber optisch größer, da er in Weiß gehalten war. Die Wände strahlten dieses Weiß ab, die Decke ebenfalls. Der Teppichboden war in einem hellen Grau gehalten, und der große Schreibtisch ruhte auf Stahlbeinen. Die Platte bestand aus schwarzem Holz.
Hinter dem Möbelstück hatte sich ein etwa fünfzigjähriger Mann erhoben, der einen grauen Anzug trug, ein helles Hemd darunter und eine bunte Krawatte. Er machte einen äußerst korrekten Eindruck. Zwei klare, graue Augen schauten Jane für einen Moment prüfend an, bevor sich der Mund zu einem Lächeln verzog und der Mann feststellte, wohl eine gute Wahl getroffen zu haben.
»Woher wollen Sie das wissen, Mr. Francis?«
»Dafür habe ich einen Blick.«
»Hoffentlich enttäusche ich Sie nicht.«
»Ich habe mich selten geirrt. Aber setzen wir uns doch.« Eine Sitzgruppe stand bereit, um die beiden aufzunehmen. Sie hatten kaum ihre Plätze eingenommen, als die Sekretärin Kaffee servierte und Gordon Francis fragte: »Es ist Ihnen doch recht, Miß Collins?«
»Natürlich.«
Britta Melrose zog sich lautlos zurück. Jane bekam ihren Kaffee eingeschenkt. »Ich habe meiner Mitarbeiterin gesagt, daß ich in der nächsten halben Stunde keine Anrufe entgegennehme.«
»Das ist gut.«
Sie tranken, und Jane versuchte, den Mann einzuschätzen. Er sah nicht aus wie ein Makler, die man sonst aus den Kinofilmen und TV-Serien kennt. Gordon Francis machte einen seriösen Eindruck.
Sein Haar war grau geworden, sorgfältig gescheitelt. Das Gesicht zeigte eine leichte Bräune, ansonsten blieb es etwas flach. Es war nichts Markantes daran, an das man sich unbedingt hätte erinnern können.
»Sie werden sich denken, Miß Collins, daß ich ein Problem habe. Sonst säßen Sie nicht hier.«
»Ich weiß.«
»Und ich sagte Ihnen schon am Telefon, daß es nicht darum geht, irgendwelche Menschen zu überwachen, ob sie nun treu sind oder nicht. Ich habe andere Sorgen.«
»Bitte.«
»Es geht um meine Tochter Julie.«
»Was ist mit ihr?«
Francis lehnte sich zurück. Noch in der Bewegung verlor er seine Sicherheit. Er war plötzlich nervös. Seine Hände rieben mit den Flächen gegeneinander, was Jane deutlich hörte. Sie sah auch die Unruhe – oder war es Angst? – in seinen Augen und den leichten Schweißfilm auf der Stirn.
»Meine Tochter wurde ermordet!«
Mit dieser Eröffnung hatte Jane nicht gerechnet. Sie war in den folgenden Sekunden sprachlos und wußte auch nicht, wie sie dem forschenden Blick des Mannes entwischen sollte. Damit hatte sie beim besten Willen nicht gerechnet, und sie wußte auch, worauf der Auftrag hinauslief. »Ich soll den Mörder Ihrer Tochter suchen?«
»Ja.«
Jane genehmigte sich noch einen Schluck Kaffee, wobei sie die Stirn gerunzelt hatte. »Aber ist das nicht Sache der Polizei?« fragte sie leise nach.
»Nein!«
Die Antwort war spontan gekommen und hatte Jane in dieser Härte überrascht. »Warum nicht?«
»Die Polizei hat versagt.«
»Das wissen Sie?«
»Sicher.«
»Wie lange ist Ihre Tochter bereits tot?«
»Seit einer Woche.«
Jane verdrehte die Augen. »Mr. Francis, Sie müssen den Kollegen schon mehr Zeit geben, um den Tod Ihrer Tochter aufzuklären.«
»Würde ich gern, aber sie schaffen es nicht.«
»Was macht Sie so sicher?«
»Weil sie die anderen drei Morde nicht aufgeklärt hat. Morde an jungen Frauen. Morde an Personen, die in dieser Stadt zu Besuch gewesen sind.«
»Wo ist das gewesen?«
»Thetford.«
»Das liegt – wo?«
»Im Nordosten. Es ist eine kleine Stadt. Noch sehr in der Tradition verwurzelt. Meine Tochter wurde in einem Museum gefunden. Man hat sie nicht nur einfach getötet, man hat sie regelrecht…« Er quälte sich und sagte leise: »Mir will das Wort nicht über die Lippen, aber es muß ausgesprochen werden. Man hat sie – zerstückelt.«
»Was heißt das genau?«
Francis hob die Schultern. »Die Gerichtsmediziner haben von einem Schwert gesprochen. Das wiederum paßt dazu, daß man meine Tochter Julie in
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