097 - Die Todestür
Kinnbacken und versuchte, ihren Mund auf zureißen.
Margaret bekam einen Schüttelfrost. Sie zitterte, als zuckten Stromstöße durch ihren kleinen Körper. Endlich konnte Dr. Merrywether seine Hand befreien. Das Blut tropfte ihm von den Fingern.
Mrs. Downes war aufgesprungen. „Doktor!" rief sie entsetzt.
Margaret warf sich auf den Boden. Eine gelbliche Flüssigkeit, die rasch verdunstete, lief ihr in großen Tropfen aus allen Poren. Ein scheußlicher Gestank breitete sich in dem großen, von Neonröhren beleuchteten Sprechzimmer aus.
„Die aggressiven Anfälle hat sie also auch noch", sagte der Arzt.
Er wickelte ein weißes Taschentuch um seine blutende Hand.
„J - a", stammelte Mrs. Downes. „Ich vergaß…"
„Schon gut. Es ist wie bei den andern. Zum Glück dauern die Anfälle nicht lange."
Margaret wurde jetzt schon ruhiger. Das gelbe Zeug verdunstete vollends.
Margarets Mutter und der Arzt rangen nach Luft. Das zweijährige Mädchen setzte sich auf und lächelte, als sei nichts geschehen.
„Doktor", fragte Mrs. Downes ängstlich, „was sollen wir denn nur tun?"
„Ich bin für eine unverzügliche Einlieferung in die Beobachtungsstation des St.-Patrick-Kinderhospitals, wo sich auch die anderen zehn Kinder mit der Luguri-Epidemie aufhalten", sagte der Arzt.
„Es liegt natürlich in Ihrem Ermessen und in dem Ihres Mannes, Mrs. Downes. Aber in Anbetracht der Umstände halte ich es für die einzige Möglichkeit."
„Sie haben recht, Dr. Merrywether", sagte Mrs. Downes. „Margaret soll ins St. Patricks. Sie werden mich vielleicht für eine schlechte Mutter halten, aber es ist mir lieber, wenn ich Margaret nicht mehr im Haus habe. Das Kind ist mir unheimlich."
Ich hatte an diesem Tag lange geschlafen schlafen und wollte auch jetzt noch nicht aufstehen. Es war kurz nach elf. Ich lag im Bett, die „Times" und den „Guardian" vor mir. Coco hatte mir die Zeitungen mit dem Frühstück ans Bett gebracht.
Es war direkt schon auffällig, wie sie mich in den letzten Tagen verwöhnte. Fast glaubte ich, sie hatte ein schlechtes Gewissen mir gegenüber. Dabei hätte es eigentlich umgekehrt sein müssen, denn ich hatte Coco in der letzten Zeit arg vernachlässigt. Manchmal hatte sie sicher nicht begriffen, weshalb ich bestimmte Dinge tat oder mich schroff und hochfahrend zeigte und alte Freunde vor den Kopf stieß. Aber ich war einer so ungeheuer wichtigen Sache auf der Spur, daß ich keine Rücksichten nehmen durfte, auf nichts und niemanden.
Ich, Dorian Hunter, der Dämonenkiller genannt, hatte viele Leben gelebt. Jetzt endlich hatte ich die Möglichkeit, etwas Ungeheuerliches zu erreichen, die größte Macht zu erringen, die ein Mensch seit Äonen je innegehabt hatte.
Es ging um den Stein der Weisen, das Vermächtnis des Hermes Trismegistos, des Begründers und größten Meisters der Weißen Magie. Magnus Gunnarsson, Unga oder ich -einer von uns dreien mußte das Vermächtnis des Dreimalgrößten Hermes antreten, wenn uns die Dämonen der Schwarzen Familie nicht vorher erledigten.
Magnus Gunnarsson und Unga erwarteten mich an einem Treffpunkt außerhalb Englands. Es war kein bestimmter Termin ausgemacht. Ich sollte kommen, wenn ich bereit war.
Das hieß, daß ich alle Bande zu meiner Vergangenheit - auch die der Liebe und der Freundschaft - lösen mußte. Mein Geist mußte frei sein und stark für die große Aufgabe.
Das war nicht einfach. Ich fühlte, daß ich innerlich noch nicht bereit war. So ruhte ich ein paar Tage aus, denn ich brauchte dringend eine Pause, um mich zu sammeln. Harte Zeiten und gefährliche Abenteuer lagen hinter mir.
Zuletzt war Hekate, die Fürstin der Finsternis und die Herrin der Schwarzen Familie, von dem Erzdämon Luguri in die Alraunenwurzel zurückverwandelt worden, aus der der Magister Arbues de Arrabell sie in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte entstehen lassen. Vorher hatte sie versucht, mich zu vernichten, um ihr Leben zu retten. Doch es hatte nicht geklappt.
Sechs Tage waren seither vergangen. Seitdem hatte ich in der Jugendstilvilla in der Baring Road geruht und nachgedacht. Miß Pickford, die alte Kneifzange, nannte das Faulenzen, aber das störte mich nicht. Ich hatte mehr als genug getan und mir eine kurze Zeitspanne der Untätigkeit verdient. Ich gähnte herzhaft. Draußen war es grau und naßkalt. Das Wetter lud nicht zum Aufstehen ein. Es regnete, obwohl es schon längst Dezember war.
An meinem Hals hing der Ys-Spiegel, von dem ich mich im
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