0971 - Die zerrissene Stadt
Drache darunter verhielt sich äußerst unruhig.
Bei Irrwischen war es nicht üblich, sich mit Namen zu bezeichnen. Diese Wesen unterschieden sich voneinander durch die unterschiedlichsten Geschmackseigenarten. Dank ihrer ausgeprägten Geschmackssinne konnten sie genau, feststellen, wem sie gegenüber flogen, standen oder saßen.
»Aber ja doch, Menschin«, fiepte Karon, und es hörte sich leicht beleidigt an. Bei Irrwischen herrschte der Irrglaube vor, dass Menschin die Bezeichnung für Menschenfrauen sei. Tanera ließ ihn gewähren, Hauptsache er gab ihr Informationen weiter, die sie für ihre eigenen Leute verwenden konnte.
Irrwische standen auf der untersten Stufe der Höllenhierarchie und waren bei den Dämonen als Frustkiller äußerst beliebt. Jedes Mal, wenn etwas schief ging, mussten zuerst die irisierenden Wesen dran glauben. In der Hölle hatte sie in ungeheuer großer Anzahl existiert, aber hier gab es nur eine Handvoll Irrwische. Sherkonnt musste sich also in dieser Hinsicht etwas zurücknehmen, da er sonst innerhalb eines Tages keines der kleinen Wesen mehr für Botengänge oder heimliche Erkundungen besitzen würde.
»Dann hoffe ich nur, dass Gortan nichts von unserem kleinen Plan erfährt«, murmelte sie so leise, dass nur Karon sie verstehen konnte. »Wir können es uns nicht erlauben, gegen zwei Fronten zu kämpfen.«
***
Einige Kilometer von der Versammln ngshalle entfernt, in der sich Sherkonnt und seine Sippe aufhielten, befand sich die Höhle, in der Gortan und seine Horde Unterschlupf gefunden hatten.
Keiner getraute sich weit in das Gebiet der jeweils anderen Sippe, aus Angst, dabei das Leben zu verlieren. Sogar die Amazonen und Affendämonen hatten sich enger an ihre neuen Herren angeschlossen, als es in den Schwefelklüften üblich war. Nicht einer von ihnen besaß eine Erinnerung daran, wie er an diesen eigenartigen Ort gekommen war. Die unendlich große Angst vor dem Untergang der Hölle war das letzte, was sie noch wussten.
Gortan sah aus, als wäre er Sherkonnts Zwillingsbruder. Er mochte einige Zentimeter größer sein als sein Kontrahent und die ledrige Haut einen Ton dunkler, dafür besaß er das etwas geringere Magie-Potenzial. Trotzdem hatte Sherkonnt noch nicht den Kampf mit ihm gesucht, da er befürchtete, dass ein Duell zwischen ihnen nur ganz knapp ausgehen würde. Diese Art der Vorsicht - manche Schwarzblütige sagten dazu auch Feigheit - war allen Dämonen zu eigen. Dem einen mehr, dem anderen weniger, aber die Angst vor dem Lebensende beherrschte alle von ihnen bei Weitem mehr als kurzlebigere Wesen.
Auch Gortan hatte Späher losgeschickt, in erster Linie, um die gegnerische Höllenhorde im Blick zu haben und keine unangenehme Überraschung durch einen Angriff ihrerseits zu erleben.
In zweiter Linie wollte er wissen, was die Wesen anstellten, die sich innerhalb der geschützten Blauen Stadt aufhielten. Von der Stadtgrenze aus zog sich ein mehrere Kilometer langer und über 50 Zentimeter breiter und tiefer Riss, der sich mehrfach aufsplitterte, bis ins Zentrum. Woher dieser Riss stammte, wusste keiner der Dämonen, Gortan fand es auch zweitrangig, darüber nachzudenken. Für ihn waren zwei Ziele wichtig: zuerst Sherkonnt zu besiegen und danach die Blaue Stadt einzunehmen.
Die bleichen humanoiden Geschöpfe, die innerhalb der Stadt arbeiteten, hatten mit ihren Desintegratoren und dem Vibrationsalarm die beiden Sippen dezimiert und zurückgetrieben. Innerhalb kurzer Zeit hatten sie ihren Teil der Stadt so dicht versiegelt, dass kein Dämon mehr hineinkam. Mochte KAISER LUZIFER wissen, wie sie das geschafft hatten, weder Gortan noch Sherkonnt hatten es fertiggebracht, die Versiegelung zu überwinden.
Der Vibrationsalarm, den die Drois auf Theronns Befehl hin vor ein paar Minuten ausgelöst hatten, machte auch Gortans Sippe schwer zu schaffen. Irgendetwas Bedeutsames musste geschehen sein, ohne Grund griffen die Feinde nicht zu diesem rabiaten Mittel der Abschreckung.
Gortan vermisste die Schwefelklüfte. Das rote Glühen am sonnenlosen Himmel und die Tümpel und Halden der brennenden Seelen mit den seit ewiger Zeit brennenden Feuern, die Schreie der Geknechteten, die wie Musik in seinen Ohren klangen, sogar die Ebene der ewigen Schreie - all das fehlte ihm mehr als alles andere. Und er wusste, dass es jedem von seinen Leuten genauso erging wie ihm.
Bei einem Menschen könnte man in einer solchen Situation sagen, dass er Heimweh hätte. Bei einem Dämon fällt eine
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