0971 - Ein Galgen für Morgana
die nicht mal besonders weich war. Zudem hatten sich Steine durchgefressen und schauten aus der Oberfläche hervor. Mal mit weichen Kanten, mal mit scharfen Spitzen. Mal fest und mal locker.
Wir stiegen an manchen Stellen schräg höher, weil wir abkürzen wollten. Mir kam es so vor, als könnte es Morgana an meiner Seite kaum erwarten, das Ziel zu erreichen. Sie hatte sich verändert, nicht äußerlich, sondern in ihrem Innern. Ich spürte es deutlich, sie war auch nicht mehr direkt an meiner Seite geblieben, sondern versuchte, sich von mir mit längeren Schritten zu entfernen.
»He, was ist…?«
Sie knurrte.
Und jetzt hörte es sich tatsächlich an, als wäre ein Tier dabei, einen bestimmten Laut auszustoßen, was bei mir natürlich einen Verdacht erweckte.
Ein Mensch und ein Tier.
Morgana war beides.
Ich schaute zum Himmel hoch. Der Mond malte sich dort nicht voll ab. Er bildete die Sichel, die sich hinter schwachen Wolkenschleiern versteckt hielt. Wenn es völlig dunkel war, würde er kräftiger hervortreten, aber auch so mußte Morgana seine Kraft spüren, die sogar für den ewigen Wechsel von Ebbe und Flut sorgte.
Sie ging, aber sie taumelte.
Es waren die ungewöhnlichen Schritte, die sie direkt nach vorn hätten führen sollen, doch in der Bewegung wurde sie von einer anderen Kraft eingeholt. Sie sorgte für dieses Schwanken. Einmal nach rechts, dann wieder nach links, und sie hatte jedes Mal größere Probleme, die Beine überhaupt anzuheben.
Beine?
Nein, das waren keine Beine, sie hatten sich bereits verändert, ohne daß es von mir so richtig entdeckt worden war. Aus den Füßen waren Pranken geworden, und die Haut des Körpers hatte ihre menschliche Helligkeit verloren, denn auf ihr wuchs ein dunkler Schatten, als wäre dieser mit einer Farbe hergestellt worden.
Es war kein Schatten.
Es war das Fell!
Es sproß aus ihren Poren. Es behielt sein Wachstum bei und verdichtete sich zwangsläufig. Ich lief noch immer hinter Morgana her. Trotzdem beobachtete ich die Veränderung und sah auch noch mehr.
Ihren Kopf konnte sie nicht mehr nur in eine Richtung halten. Er zuckte immer wieder und immer öfter. Mal nickte sie. Darm warf sie ihn zurück. Sie schleuderte ihn auch zu den verschiedenen Seiten hin weg. Rechts, links. Wieder nach vorn, dann nach hinten. Dabei blieb sie auch nicht ruhig, denn ich hörte kein Atmen mehr, das war schon ein schweres Keuchen. Und ebenso schwer wurden ihre Bewegungen. Sie befand sich mitten in der Verwandlung. Morgana hatte damit zu kämpfen und auch darunter zu leiden.
Ein Zurückgab es nicht.
Sie war von diesem Fluch besessen. Er würde so lange auf ihr lasten, bis es jemand schaffte, sie zu vernichten.
War ich derjenige?
Ich gab mir gegenüber selbst zu, daß ich mit dieser plötzlichen Verwandlung nicht gerechnet hatte, obwohl sie eigentlich auf der Hand lag. Auch der Werwolf gehorchte gewissen Naturgesetzen, die niemand durchbrechen konnte.
Als Mensch stand sie uns zwar auch als Feindin gegenüber, das hatte ich vor kurzem noch erlebt, als Bestie aber würde sie kein Pardon kennen und nur noch ihrem Trieb folgen.
Da war ich ein Opfer…
Und ich richtete mich darauf ein. Das Kreuz hing längst nicht mehr vor meiner Brust. Ich hatte es in die Tasche gesteckt, fühlte noch einmal nach. Auf eine bestimmte Art und Weise war ich beunruhigt, als- ich den leichten Schauer der Wärme nicht nur auf dem Kreuz fühlte, sondern auch an meinen Fingern.
Damit war ich zufrieden, denn ich hatte erleben müssen, wie mein Kreuz plötzlich zu einer Wünschelrute geworden war, als es in Cursanos Einfluß geriet. Da hatte es sich aufgestellt und nach den Seiten ausgeschlagen wie eben dieses Instrument.
Morgana beugte sich nach vorn. Sie ging sehr langsam. Und sie wäre auch gegen den Hang gefallen, doch mit den Händen fing sie sich ab.
Ich blieb hinter ihr stehen. Für einen Moment war es völlig still. Vor uns sah ich den Tafelberg. Von ihm drang kein Zeichen zu uns herüber. Er war normal und blieb normal.
Ein leises Knurren unterbrach die Stille. Ich richtete meinen Blick wieder nach vorn und damit direkt auf den Hals der Wölfin, wo ich keine Haut mehr sah. Dafür aber ein dunkles und auch dichtes Fell, das Körper und Kopf bedeckte.
Sie kämpfte noch. In der gebückten Haltung schüttelte sie sich, dann schnellte sie plötzlich hoch.
Ich erschrak dabei und ging unwillkürlich zurück, aber ich lief nicht weg.
Sie starrte mich an. Ich behielt die Nerven und schaute
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