0975 - Burning Man
und zog sie auf. Darin lag seine Waffe, eine Glock 38. Wenn er schnell genug war, konnte er vielleicht…
»Falls du darüber nachdenkst, mit deinem kleinen Spielzeug auf mich zu schießen, nur zu.«
De Lucas Hand erstarrte über der Waffe. Sollte er es versuchen? Vielleicht bluffte das Wesen nur. Aber was, wenn nicht? Und worauf genau wollte er überhaupt zielen? Soweit er es beurteilen konnte, bestand sein Gegenüber nur aus zwei brennenden Augen und einer Stimme. Womöglich hatte es gar keinen Körper, auf den er schießen konnte. Nach kurzem Zögern zog er die Hand zurück und ließ den Kopf sinken.
»Dann sind wir uns also einig«, sagte das Wesen.
»Das habe ich nie behauptet«, erwiderte De Luca mit einer Entschlossenheit, die ihn selbst überraschte. »Ich könnte mich entscheiden, dein Angebot nicht anzunehmen.«
Das Gelächter, das darauf folgte, kam Messerhieben gleich. »Ja, das könntest du tun. Es steht dir frei, dich mir zu widersetzen. Der freie Wille ist schließlich das höchste Gut der Menschen, nicht wahr? Allerdings glaube ich nicht, dass du den Mut dazu hast.«
Mit den letzten Worten waberten plötzlich dunkle Rauchwolken über den Fußboden des Büros und bewegten sich auf De Luca zu. Er wich zurück, doch der schwarze Dunst umgab ihn in Sekundenschnelle und kroch an ihm hoch. In seinem Geist erschienen Bilder entsetzlicher Qualen, die ein Mann erlitt. Er wurde von dunklen, gehörnten Folterknechten gehäutet, aufgespießt, geröstet, zerstückelt und schließlich von kleinen Wesen gefressen, die nur aus Zähnen und Klauen bestanden. Dabei blieb er die ganze Zeit über irgendwie am Leben und schrie pausenlos um Gnade, die nie gewährt werden würde. Nach dieser entsetzlichen Folter erschien der Mann von Neuem, stand nackt und unversehrt da, nur um einer weiteren, noch schrecklicheren Tortur unterzogen zu werden. Es war ein Kreislauf aus Schmerz, der niemals endete und eine unfassbare Fülle an Foltermethoden bereithielt, die den menschlichen Verstand überstiegen und in den Wahnsinn trieben.
Höllisch.
Der Anblick dieser Bilder war unerträglich, doch das Schlimmste daran war, dass De Luca dem Mann die ganze Zeit über in die Augen blickte. Es waren seine Augen. Er, Silvio De Luca, war das Opfer all dieser Höllenqualen, und er wusste mit grausamer Sicherheit, dass ihm all das blühte, wenn er sich dem Wesen, das er aus Gier heraufbeschworen hatte, widersetzte. Es würde ihn nicht einfach töten, sondern ihn bis in alle Ewigkeit Todesqualen aussetzen, die er immer und immer wieder durchleben musste.
Als sich der Rauch zurückzog, sackte De Luca auf seinem Stuhl in sich zusammen. Er war nur noch ein wimmerndes Häufchen Elend. Furcht zerrte an jeder Faser seines Körpers und überlagerte alles.
»Du hast vierundzwanzig Stunden Zeit, um dich zu entscheiden, ob du mein Angebot annimmst oder nicht.«
»Das ist keine Wahl«, jammerte De Luca. »Egal wie ich mich entscheide, ich kann nur verlieren.«
»Überrascht dich das?«, fragte das Wesen höhnisch. »Ich dachte, du als Casinobesitzer wüsstest, dass das Haus immer gewinnt.«
In einem Schauer aus schallendem Gelächter flammten die Augen in der Finsternis einmal kurz auf und verschwanden dann, während das Echo der Stimme noch einige Sekunden nachhallte.
Im gleichen Moment schwang die Tür zu De Lucas Büro ruckartig auf und krachte gegen die Wand. Aus dem Flur strömte gleißend helles Licht herein, und im Eingang stand eine scheinbar menschliche Gestalt. Sie hielt ein Messer in der erhobenen Hand und sah sich kurz um. »Silvio De Luca?«, sagte sie dann mit erstaunlich wohltönender Stimme. »Ich brauche Ihr Blut!«
»Aber er sagte, ich hätte vierundzwanzig Stunden Zeit«, entfuhr es dem Casinobesitzer noch, bevor sein Körper dem angestauten Stress nachgab. Er brach ohnmächtig zusammen und rutschte vom Schreibtischstuhl auf den Fußboden.
Kapitel 5: Am Ende von allem
Black Rock City
Menschenleere Straßen, wohin sie auch blickte. Grabesstille. Im Lichtkegel der Taschenlampe, die ihr Bruder in den zitternden Händen hielt, sah Cassie Derringer verlassene Wohnwagen, Klappstühle, Kinderspielsachen. Vor einem armeebraunen Zelt, dessen Front sperrangelweit geöffnet war, standen zwei Kühlboxen voller Bier um einen Holzkohlegrill verteilt, auf dem fünf Steaks vor sich hin verkohlten. Niemand rettete sie, weil niemand mehr da war, um sie zu retten. Die Camper, die zu ihnen gehörten, waren fort.
Alle waren fort. Nur ihren
Weitere Kostenlose Bücher