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0979 - Der Totenhügel

0979 - Der Totenhügel

Titel: 0979 - Der Totenhügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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einer Lampe stammend, auch nicht vom Mond.
    Woher kam es dann?
    Die Angst war verflogen, und sie war sich sicher, es musste eine Lichtquelle geben. Etwas anderes war einfach unmöglich.
    Das Kind hob seinen rechten Arm mit einer sehr langsamen Bewegung an. Dann führte sie die ausgestreckte Hand von der rechten Seite her nach links, und zwar ließ es die Hand in Augenhöhe.
    Plötzlich glitt ein Schatten durch den Schein. Etwas dunkler, aber nicht viel. Trotzdem war sie keinem Irrtum erlegen. Es gab den Schatten, und er zitterte so leicht wie ihre Hand. Eine Hand, die durch einen Lichtstreifen geführt worden war.
    Da wusste sie Bescheid. Das Licht stammte von ihr. In ihren Augen lag die Quelle.
    Die Hand erschlaffte in der Luft. Lilian musste mit dieser unwahrscheinlichen und unglaublichen Neuigkeit erst einmal fertig werden. Sie war es, die sich verändert hatte, und vor ihr hatte sich die Kreatur gefürchtet.
    Dass sie jetzt aufstöhnte, daran konnte sie nichts ändern. Aber die Hand senkte sich wieder und streckte den Arm aus. Das Licht auf dem Boden war verschwunden. Zurückgetaucht in ihre eigenen Augen.
    In diesem Moment begriff Lilian, dass sie etwas Besonderes geworden war. Man hatte sie dazu gemacht. Aber die Schuld lag nicht an ihr, sondern an einer Person, die tief im Hügel ihr Grab gefunden hatte. Sie war trotz der Entfernung zwischen ihnen ihre Beschützerin gewesen. Lilian spürte das Gefühl der großen Dankbarkeit in sich hochsteigen, gepaart mit dem der Erleichterung. Die bösen Phantasien von einem menschenfressenden Wesen waren dahin, vergessen, und auch das Monstrum ließ sich nicht mehr blicken. Sein Bild stand nur noch in ihrer Erinnerung und würde auch so schnell nicht gelöscht werden.
    Das Mädchen drehte sich um. Es schaute in die Richtung zurück, in der der Hügel lag. Vielleicht war dort etwas zu sehen. Ein Gruß aus der Ferne und der Tiefe des Erdhügels, aber sie sah nicht mehr als einen vom Boden in die Höhe wachsenden halbrunden Schatten, über dem die Dunkelheit immer dichter wurde.
    Durch die Nase und den Mund zugleich stieß Lilian den Atem aus. Diesmal war es ein Geräusch der Erleichterung. Mochte die Gestalt auch so furchtbar gewesen sein, sie hatte es nicht geschafft, sie zu töten. Weil es eine Beschützerin gab.
    »Und du bist doch meine Freundin«, sagte das Mädchen, bückte sich, hob Oscar auf, der sie anlächelte, als wollte er ihr Mut machen.
    Danach machte sie sich auf den Heimweg.
    Ihre Tante war noch nicht wieder von ihrem Kartenspiel zurück. Das Haus lag in der Dunkelheit wie eingepackt, abgesehen von der Stelle über der Haustür, wo an einem vorstehenden und gebogenen Haken eine Laterne ihr Licht verstreute. Betty Byron hatte sie eingeschaltet, bevor sie das Haus verließ.
    Das Licht war längst nicht so klar und scharf wie das aus ihren Augen. Ein rötlicher und auch weicher Schein fiel nach unten und verteilte sich auf dem Boden.
    Die Haustür war geschlossen. Hinter den Fenstern brannte kein Licht. Die Häuser der Nachbarn waren von dieser Stelle aus nicht zu sehen. Die Fassade des eigenen Hauses nahm dem Kind die Sicht.
    Hinzu kam noch der Bewuchs des Geländers, der an einigen Stellen sehr dicht, an anderen wiederum aufgelockert war.
    Angst verspürte Lilian nicht mehr. Aber sie war vorsichtig geworden. Die letzten dreißig Minuten hatten das Kind auf eine gewisse Art und Weise reifen lassen. Die Unbekümmertheit war verschwunden.
    Lilian dachte und handelte wie eine Erwachsene. Sie untersuchte sogar das Schloss der Haustür, ohne verdächtige Spuren zu finden.
    Den Schlüssel hatte sie eingesteckt. Er steckte in der rechten Tasche ihres Kleides. Kein Windhauch bewegte sich mehr. Die Luft stand, sie war schwül, sie drückte. Der Duft wilder Heckenrosen aus dem Vorgarten wehte an dem Kind vorbei.
    In der Stille klang das Kratzen des Schlüssels im Schloss besonders laut. Lilian drückte die Tür nach innen. Beinahe witternd blickte sie in den Vorflur, wo sie keinen Menschen sah, der auf sie wartete oder sich bewegte. Die alten Statuen und Masken standen oder hingen ebenfalls ruhig. In der Dunkelheit wirkten sie wie gefährliche Inseln, die sich an den Wänden festgekrallt hatten.
    Das Kind tappte über die Schwelle hinweg. Die Zunge umspielte die Lippen, weil sie trocken geworden waren. Dann ging das Mädchen weiter. Es schloss die Tür. Erst blieb Lilian in der Dunkelheit stehen. Sie lauschte in die Stille des Hauses hinein und war erst zufrieden, als

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