0979 - Der Totenhügel
Zündschlüssel. Dabei kerbte ein Lächeln meine Lippen. »Wir werden hinfahren, Suko, schließlich ist Sir James unser Chef.«
»Aber nicht sofort, denke ich.«
»Genau. Zuerst ist Graham an der Reihe.« Ich räusperte mich. »Sir James hat mir versprochen, die Informationen noch nicht weiterzugeben. Ich weiß, dass er sich daran halten wird. Wir werden zwar einen fürchterlichen Anschiss bekommen, wenn wir bei ihm auftauchen, aber was uns nicht umbringt, das macht uns härter. Wie siehst du es?«
»Der Vorschlag hätte von mir sein können.«
»Wunderbar.« Ich lächelte breiter.
»Dann auf nach Graham! Mal sehen, was uns dort erwartet.«
Ich hatte nicht mit einer Antwort gerechnet, doch ich bekam sie vom Rücksitz her, denn unser Gast sprach. Was er sagte, trug nicht gerade zur Aufklärung bei.
»Wir werden den Grabhügel sehen, den Grabhügel…«
***
Es war kein Mensch. Es war kein Tier. Es war ein Wesen, das vor dem Kind stand und möglicherweise aus einem Menschen entstanden war, denn er hielt sich auf seinen Beinen, keuchte mit offenem Mund, aus dem gelblicher Speichel in dicken Tropfen rann.
Breitbeinig stand das Wesen vor ihr. Augen waren vorhanden. Sie hatten sich aus dem Gesicht hervorgedrückt, und sie wirkten wie große, weißblaue Kugeln, die an den Rückseiten von Bändern gehalten wurden. Darunter malte sich eine Nase ab, die allerdings sehr flach war, vergleichbar mit dem Riechorgan eines echsenartigen Wesens. Dazu passte auch das breite Maul ohne Lippen. Ein Hals folgte, der aus dicken Sehnen bestand, und dieser Hals mündete in einen menschlichen Körper, der eigentlich ganz normal war, bis eben auf die sehr dünnen und schon antennenhaften Arme, die nicht in irgendwelchen Händen endeten, sondern in kurzen Fingerstummeln, aber sie standen von den Enden ab wie normale Finger.
Das Kind hatte eine derartige Gestalt noch nie gesehen. Nicht mal in seinen bunten Comics war sie ihm über den Weg gelaufen. Dieses hier war die absolute Premiere, und Lilian konnte nicht sagen, dass es ihr Spaß gemacht hätte. Die Angst schüttelte sie so stark durch, dass sie nicht in der Lage war, ihre Puppe zu halten. Selbst der Stoff rutschte an der schweißnassen Handfläche entlang, bis er keinen Halt mehr fand und die Puppe zu Boden fiel.
Sonst bewegte sich nichts an Lilian. Sie wusste auch nicht, was sie denken sollte, sie kam mit diesem Monstrum nicht zurecht. Es lebte, aber es sah so schrecklich aus wie etwas, das lieber nicht am Leben blieb, weil es nur das Grauen und den Tod wollte.
Die Kugelaugen starrten das Kind an. Sie zuckten, aber sie selbst blieben innerlich völlig bewegungslos. Da sahen sie aus, als hätte sich das weiße Licht irgendwelcher Lampen in ihnen gefangen, ohne sich aber zu bewegen.
Durch den Blick dieser Augen fühlte sich Lilian regelrecht seziert. Als versuchte er, sie in ihre Einzelteile zu zerlegen oder nach einer Angriffsfläche Ausschau zu halten.
Es war alles so anders. So wie es Lilian noch nicht erlebt hatte. Sie hätte sich nie vorstellen können, dass derartige Wesen auf der Erde und dazu noch in ihrer Nähe lebten.
Wesen und Erde!
Daran dachte Lilian, die zu den Kindern mit viel Phantasie gehörte. Das lag auch an ihren Eltern, denn sie hatten dafür gesorgt, dass sie sich mehr mit Büchern beschäftigte als vor der Glotze zu sitzen.
Und das Lesen war für sie immer wie Kino im Kopf gewesen. Da hatte sie sich wegtragen lassen und die Geschichte weitergesponnen, die sie gelesen hatte.
Schöne Geschichten, spannende, aber auch unheimliche, und so etwas erlebte sie jetzt.
Diese Gestalt war unheimlich. Die schien sogar aus zwei Wesen hergestellt worden zu sein. Vielleicht hatte sie tatsächlich irgendwann einmal ausgesehen wie ein Mensch, das aber war jetzt vorbei. Es gab sie nicht mehr so, nur noch die Beine und Fragmente irgendwelcher Arme und Finger.
Was mochte mit dem Mann passiert sein? Es war ein Mann, der trug eine dunkle Männerhose, an der noch das Gras klebte sowie einige faulige Blätter.
Allmählich verschwanden die große Angst und der Schock. Das Kind spürte wieder seinen eigenen Herzschlag. Jeden Schlag sogar, und dabei merkte sie noch etwas. Irgend etwas stieg in ihrem Körper hoch, das sich im Kopf und in unmittelbarer Nähe der Augen irgendwie festsetzte. Damit kam Lilian Kline nicht zurecht. Sie konnte es auch nicht ändern und nahm es hin.
Die Gestalt schüttelte sich. Dabei bewegte sie auch das Maul und ließ das Mädchen fremd klingende
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