098 - Die Blutfurie
ihr nichts anhaben können. Ihr Körper war nicht verfallen. Höllenkraft hatte ihn konserviert, als wäre vorhersehbar gewesen, daß diese Nacht einmal kommen würde.
Im Gegensatz zu ihrem Sohn spürte Vera Silenti sofort, daß sie Terence Pasquanell nicht angreifen durfte, daß in seinen Adern schwarzes, für Vampire ungenießbares Blut floß.
Pasquanell informierte die wiedergeborene Vampirin kurz.
»Wo ist Chelo?« fragte die Blutsaugerin. »Ich möchte ihn sehen.«
»Er steht am Friedhofstor und sorgt dafür, daß uns niemand stört«, antwortete Terence Pasquanell. »Du trägst nun mein Herz in deiner Brust. Hüte es wie eine Kostbarkeit.«
»Das werde ich«, versprach die Untote.
Terence Pasquanell verließ das Grab.
»Hunger«, zischte Vera Silenti. »Ich habe zweihundert Jahre kein Blut getrunken.«
Terence Pasquanell wies in Richtung Saxton. »Der Tisch ist reich gedeckt. Du brauchst dich nur zu bedienen. Stille erst deinen Hunger. Anschließend habe ich mit dir und Chelo zu reden.«
Die Vampirin erhob sich. Geschmeidig und vorsichtig waren ihre Bewegungen. Sie legte die bleichen Hände mit den roten Krallen auf die steinerne Grabeinfassung, und als sie darüber hinweg auf Saxton blickte, glitzerte in ihren Augen eine grauenerregende Gier.
Vera Silenti sprang aus dem Grab.
Von heute an würde sie wieder töten. Zweihundert Jahre waren vergangen, doch für sie war es so, als wären es nur zwei Tage gewesen. Sie hatte einen gewaltigen Zeitsprung gemacht.
Die McGraws hatten geglaubt, sie vernichtet zu haben, aber es gab sie noch. Es gab sie wieder. Während die McGraws inzwischen alle hier auf diesem Friedhof begraben waren.
Einmal mehr hatte das Böse über das Gute triumphiert!
***
Anthony Ballard sah den Blutsauger und drückte sich an die Friedhofsmauer, um nicht entdeckt zu werden. Chelo Silenti sah nur kurz in seine Richtung und wandte sich dann wieder um.
Der Hexenhenker löste sich vorsichtig von der Mauer. Er näherte sich dem Blutsauger, ohne daß es diesem auffiel. Seine kräftigen Hände hielten den Stiel des schweren Beils.
Vielen Schwarzblütlern war das Beil schon zum Verhängnis geworden. Auch Chelo Silenti sollte damit Bekanntschaft machen.
Anthony Ballard ließ sich Zeit. Eile wäre ein Fehler gewesen.
Der Vampir blickte durch das Tor. Er wollte seine Mutter sehen. In diesem Moment verließ Terence Pasquanell das aufgebrochene Grab, und Sekunden später tauchte Vera Silentis Kopf auf.
Chelo Silenti vergaß seine Wachsamkeit.
Anthony Ballard hob ganz langsam das Beil.
Der Vampir wollte den Totenacker betreten, aber da gewahrte er aus den Augenwinkeln den Hexenhenker.
Im selben Moment schlug Anthony Ballard zu!
Chelo Silenti fauchte wütend und erschrocken. Mit einem federnden Sprung brachte er sich von dem niedersausenden Beil in Sicherheit.
Bevor Anthony Ballard das Beil wieder hochschwingen konnte, katapultierte sich ihm der Blutsauger entgegen.
Er prallte gegen den nackten Oberkörper des Hexenhenkers. Unter der Bronzehaut des Hexenhenkers zuckten dessen stahlharte Muskeln. Der Aufprall war so heftig, daß Anthony Ballard das Gleichgewicht zu verlieren drohte.
Er taumelte zwei Schritte zurück und verlor sein Beil.
Ein Erfolg, mit dem Chelo Silenti nicht gerechnet hatte. Vorhin hatte er noch Vera Silenti und Terence Pasquanell zu Hilfe rufen wollen, doch nun hatte er die Absicht, dem Hexenhenker allein den Garaus zu machen.
Der Gegner schien weit weniger kräftig zu sein, als er aussah. Chelo Silenti stürzte sich auf ihn. Er versuchte Anthony Ballard mit den Zähnen zu erwischen.
Aber Anthony Ballard war schneller und wendiger, als man es ihm zugetraut hätte. Geschickt wich er den spitzen Zähnen des Blutsaugers immer wieder aus, und dann kam er mit wuchtigen Faustschlägen aus der Defensive.
Chelo Silenti war gezwungen, zurückzuweichen.
Der Vampir war wütend auf Terence Pasquanell, der ihn mehrfach mit magischen Attacken geschwächt hatte. An den Nachwirkungen litt Silenti immer noch.
Sein Fuß stieß gegen das Henkersbeil.
Blitzschnell hob er es auf, und als er damit auf Anthony Ballard eindrang, hatte dieser große Mühe, einem Treffer zu entgehen.
Das gab Chelo Silenti sofort wieder Auftrieb. Es ging ihm nicht mehr darum, Anthony Ballards Blut zu trinken. Er wollte den Mann mit der Maske nur noch töten.
Der Hexenhenker stolperte, und für einen Moment sah es aus, als wäre er verloren, aber dann gelang es ihm, sich gerade noch rechtzeitig zur
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