098 - Die Geistergirls von W
Gemäuers, bis sie in den schummrigen Keller sehen konnte. Hier
unten gab es kein elektrisches Licht. Das Glosen wurde durch zwei Pechfackeln verursacht. Das fensterlose Gewölbe war niedrig,
bestand aus grob gemauerten Steinen und enthielt viele Ecken, Winkel und
Nischen.
Im ersten Moment glaubte Morna, in das Labor des
berühmt-berüchtigten Barons Viktor von Frankenstein geraten zu sein. Mitten im
Raum stand ein altmodischer, länglicher Tisch. Darauf angebunden lag ein junges
Mädchen mit strohblonden Haaren. An Fuß- und Kopfende standen zwei andere
Mädchen.
Sie wirkten in diesen Minuten im Vergleich zu der auf der Liege
Gefesselten wie Puppen. Im Hintergrund in den Nischen und auf klobigen,
primitiv zusammengehämmerten Regalen standen große Glasgefäße, in denen
verschiedenartige und -farbige Flüssigkeiten und Pulver aufbewahrt wurden.
Außer den beiden stehenden Mädchen gab es noch eine dritte Person im
schummrigen Licht der Fackeln: den Sprecher mit der sanften Stimme. Er stand
für Morna so ungünstig, dass sie nur einen Teil
seiner Schulter und die Hälfte des Kopfes sehen konnte.
Der Mann stand im Schatten einer vorspringenden Mauer. Er war
mittelgroß. Das war alles, was die Agentin von ihm wahrnehmen konnte. »Sie
haben die Organe der Toten entfernt, um die Körper vor der Verwesung zu
schützen«, fuhr der Fremde leise und mit freundlich-verbindlicher Stimme fort.
»Ich werde auch deine Organe entfernen und deinen Körper präparieren. Einen
Teil meiner Geschöpfe siehst du hier ... Britta und Karin ... aber es gibt noch
mehr. Sie leben bereits in der Stadt, und niemand erkennt sie. Und sie haben -
wie ich - nur den einen Wunsch, auch andere Menschen glücklich zu machen und
ihnen das ewige Leben zu schenken .«
»Sie sind wahnsinnig ! « , schrie die Gefesselte. »Ich will raus hier !« Doch der Sprecher ließ sich nicht irritieren.
»Irdische Frauen sind schön ... und an ihnen habe ich meine
Experimente begonnen. Aber auch Männer werden das ewige Leben haben ... Britta
hat mir den ersten gebracht. Ich habe ihn bereits vorbereitet, und er wird noch heute Nacht zu neuem Leben erwachen und sein Dasein
fortführen, als sei nichts geschehen. Jedes Dasein muss erkämpft werden. Und jede Geburt ist von Schmerzen und Wehen begleitet. Dies
kann ich dir nicht ersparen, mein Täubchen ... Du wirst durch einen großen
Schmerz gehen müssen. Bevor dein neues Leben beginnt, wirst du dein altes
beenden müssen. Und ein Ritual ist dabei unerlässlich .
Es muss ein gewaltsamer Tod sein, den derjenige, der
neu geboren werden will, erleiden muss . Deine
Freundinnen werden dir dabei helfen .«
Morna Ulbrandson glaubte ihren Ohren und Augen nicht trauen zu
können. Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf das Geschehen vor ihr ausgerichtet,
so dass ihr entging, wie sich jemand aus dem Gang
hinter ihr lautlos wie ein Schatten näherte. Es war die Frau, die Britta
Leisner in jener Nacht tot in ihrem VW Käfer transportierte, in den Karin
Anders einstieg, um ebenfalls der zur Mörderin gewordenen Untoten zum Opfer zu
fallen. Dann war sie hinter der Lauschenden.
Die Untote hielt etwas in der Hand. Einen schweren Gegenstand.
Den ließ sie blitzschnell und mit großer Wucht auf den Hinterkopf
der Schwedin fallen. Morna Ulbrandson taumelte im Besinnungsloswerden noch zwei Schritte nach vorn. Sie hatte keine Chance. Sie wurde
von dem Angriff völlig überrumpelt. Ohne einen Laut von sich zu geben, sackte
sie in die Knie und fiel genau vor die Füße des Mannes mit der sanften Stimme ...
●
In dem Moment, als der Finger der Schützin sich krümmte, reagierte
Iwan Kunaritschew alias X-RAY-7. Er ging in die Hocke, und der Smith &
Wesson Laser in seiner Rechten spuckte einen flammend weißen Lichtblitz. Der
erreichte das Geistergirl eine halbe Sekunde früher
als die Kugel ihn aus dem Lauf. Das Projektil zischte über ihn hinweg und
schlug in den Pfosten über der Eingangstür. Der hochkonzentrierte,
scharfgebündelte Laserstrahl traf genau ins Ziel.
Der Gewehrlauf glühte auf und schmolz zusammen. Damit war die
Waffe zur weiteren Verwendung erst mal unbrauchbar. Iwan aktivierte den Laser
ein zweites Mal. Der Strahl traf die Schusshand . Die
Geisterfrau reagierte darauf mit keinem Schmerzenslaut, wie er es schon vorhin
bei Suzette erkannt hatte. Sie waren keine Menschen mehr, bestanden
nicht mehr aus Fleisch und Blut. Sie waren Zombies einer besonderen,
außergewöhnlichen Gattung. Ihre Hülle bestand nur noch
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