0980 - Die Rächerin
stampfte sie mit dem Fuß auf, bevor sie sich umdrehte, ihre sirenenhafte Stimme abstellte und in ihrer Wohnung verschwand.
»Da kann man nichts machen«, sagte Shao zu mir. »Manche Leute sind eben so.«
Suko kehrte zurück. Er winkte mit beiden Händen ab. »Tanner hat nicht schlecht gestaunt, als er hörte, dass er mit seiner Mannschaft abermals hier auftauchen kann.«
»Hat er nur gestaunt?« fragte ich. »Oder war er sauer?«
»Beides.«
»Und was ist mit Sir James?«
»Den habe ich auch informiert.«
»Gut.«
Suko machte sich Sorgen. »Geht es dir wieder besser, John?«
Ich lächelte schief. »Ja, ich fange allmählich an, mich damit abzufinden, dass ich überlebt habe. Ich beschäftige mich wieder mit dem, was wir eigentlich vorhatten.«
»Der Markt ist wichtig.«
»Immer mehr.«
»Wie kommst du darauf?«
Ich deutete auf den Körper unter der Decke. »Mir ging vorhin durch den Kopf, dass es für Personen dieser Art doch kein besseres Versteck geben kann, als einen Historischen Jahrmarkt, wo sich nun wirklich alles tummelt. Feuerschlucker, Nagelbretthocker, Damen ohne Unterleib… Oder denke ich da in eine falsche Richtung?«
»Bestimmt nicht. Wichtig ist auch, dass wir sie identifizieren können. Wir müssen wissen, wer sie war und woher sie kam. Dann können wir weitersehen.«
Ich nickte, war mit meinen Gedanken aber woanders. Es fiel mir schwer, zwischen dieser Frau und Shimada eine Verbindung herzustellen. Als er noch existierte, hatte ich in seinem Umfeld immer nur Männer-Kämpfer erlebt. Frauen waren nicht vorhanden. Dass eine Frau jetzt seinen Tod rächen wollte, war so leicht nicht zu begreifen.
»Wenn du mit Tanner gesprochen hast, konnte er dir schon Informationen geben?«
»Nein, noch nicht.«
»Auch nicht Fingerabdrücke?«
»Sie untersuchen die Mordwaffe noch. Ich setze nicht viel Hoffnung darauf«, fuhr Suko fort. »Die Abdrücke, die unter Umständen gefunden werden, sind bestimmt nicht registriert.«
»Da kannst du recht haben.«
Shao kam zu uns. Sie brachte mir Kaffee. Für sich und Suko hatte sie Tee zubereitet. »Das wird uns allen gut tun«, sagte sie und stellte das Tablett weg, nachdem sie uns die Tassen übergeben hatte. Ich stellte fest, dass meine Hand noch immer leicht zitterte, aber es schwappte zum Glück kein Kaffee über.
Der Kaffee war stark, er schmeckte bitter, aber er war auch genau die richtige Medizin. Ich leerte die Tasse und brachte sie in meine Küche. Draußen war der Himmel so hell. Die Sommersonne überstrahlte alles. Ich lächelte endlich wieder, denn beinahe hätte ich diesen Anblick nicht mehr genießen können.
Zwar hatte ich mir die Tote genau angeschaut, aber ethisch einordnen konnte ich sie nicht. Daher fragte ich Suko, was er dazu meinte.
»Sie stammt, so schätze ich, aus dem indonesischen Raum.«
»Meinst du?«
»Bestimmt.«
»Dann ist Shimada überall präsent. Auch als Toter verfolgt er uns noch.« Ich schüttelte den Kopf. »Hoffentlich hört das bald auf.«
»Sei nicht so pessimistisch, John.«
»Was sollte mich denn jubeln lassen?«
»Zumindest wissen wir, dass die andere Seite die Krone der Ninjas nicht mehr einsetzen wird. Das steht fest.«
»Richtig.« Ich dachte an meine Kleidung, die ich trug. Sie kam mir plötzlich unpassend vor. Ich verschwand im Schlafzimmer und zog mich um. Auch jetzt war das Gefühl der Spannung geblieben. Ich schaute mich des Öfteren um und lauschte nach irgendwelchen fremden Geräuschen, aber die blieben aus.
Die Normalität hatte mich wieder. Ich hoffte auch, dass ich es schaffte, nicht mehr nur zurückzuschauen, sondern nach vorn zu blicken. Die Frau, die mich hatte köpfen wollen, war zwar als Einzelkämpferin bei mir erschienen, ich aber glaubte nicht, dass sie aus eigenem Antrieb gehandelt hatte.
Da steckte mehr dahinter. Möglicherweise eine Organisation, die zu Shimadas Lebzeiten schon auf seiner Seite gestanden hatte. Wir wussten, was diesen Teil seines ehemaligen Lebens anging, nicht viel über ihn, und mit bösen Überraschungen mussten wir immer rechnen.
Vom Flur her hörte ich Stimmen. Dann Tanners Organ, der sich beschwerte, dass man Suko und mich in London nicht allein lassen konnte, ohne dass etwas passierte.
»Was ihr im Ausland macht, ist mir ja egal, aber hier habe ich nur Ärger mit euch. Dabei reichen mir schon die normalen Gangster Wenn das so weitergeht, werde ich den Ratschlag meiner Frau befolgen und mich pensionieren lassen.«
Ich war nahe an seinen Rücken
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