0981 - Tränenjäger
entsprach dem, was das Monster innerhalb der Todeszone gespürt hatte. Kein Zweifel, er war auch dort gewesen.
Das Interesse des Ungeheuers war endgültig geweckt.
Und dann begann der Sterbliche zu sprechen.
»Ich grüße dich«, erklärte er mit einer Stimme, der deutliche Autorität anhaftete. Er war das Befehlen gewohnt, daran zweifelte Moyar nicht.
Der Ghoul nickte langsam. Er war des Sprechens durchaus mächtig, wollte jedoch zuerst hören, was der Andere zu sagen hatte, bevor er sich zu einer Antwort herabließ.
Mutig machte der Bärtige einen weiteren Schritt auf Moyar zu und An bewies aufs Neue, dass er keine Angst hatte.
»Ich suche nach einem starken Verbündeten«, erklärte er. »Vielleicht habe ich ihn ja gerade gefunden?«
Jetzt erst öffnete Moyar den Mund zu einer Erwiderung.
»Wozu einen Verbündeten?«, wollte der Ghoul wissen. »Du bist nicht allein - und wie kommst du auf den Gedanken, dass ein Wesen wie ich sich mit deinesgleichen einlassen würde?«
Moyar war nicht entgangen, dass die ihn begleitenden Menschen unter der geistigen Kontrolle des Bärtigen standen. Eine Aura der Schwarzen Magie umwehte den Mann und sie war sehr stark und vertraut.
Der Bärtige wandte kurz den Kopf. Ein satanisches Lächeln huschte über seine Lippen, als er den Blick über seine willenlosen Sklaven gleiten ließ.
»Mein Name ist Álvarez«, stellte er sich vor. »Lange Jahre war ich der unangefochtene König dieses Landstreichs. Mein Wort war Gesetz hier!«
Moyar brummte. Die Hierarchien der Sterblichen und ihre internen Machtkämpfe interessierten ihn herzlich wenig.
Álvarez sprach weiter. »Aber dann hat sich etwas verändert«, erklärte er. »Ich wurde erleuchtet.«
Das war offensichtlich. Der Bärtige unterschied sich zweifellos von den anderen Menschen, denen Moyar bisher begegnet war.
Álvarez deutete auf den Dschungel hinter sich. »Ich war dort drinnen, genau wie du, das spüre ich!«
Moyar knurrte. »Allerdings«, bestätigte er, »und das hat mich fast umgebracht!«
Ein feines Lächeln huschte über die Lippen des Bärtigen.
»Das war unumgänglich«, erklärte er. »Es musste sich stärken!«
»Es?«, echote der Ghoul.
»Das Böse«, ließ Álvarez vage wissen. »Um zu voller Stärke zurückzukehren, braucht es Energie! Wir müssen ihm diese Energie verschaffen, daran führt kein Weg vorbei.«
Moyar nickte langsam.
Auch wenn viele Dämonen das Desaster überlebt hatten, so hatte der Untergang der Heimat den Mächten des Bösen doch einen gravierenden Schlag versetzt. Diesen galt es auszugleichen! Sie mussten das Pendel wieder in ihre Richtung ausschlagen lassen, egal wie.
»Ich nehme an, du hast einen Plan, Mensch?«, wollte Moyar wissen. »Mut hast du auf jeden Fall!«
Álvarez nickte.
Er ging weiter auf den Ghoul zu, bis er endlich direkt vor ihm stand. Dann streckte er furchtlos die Hand aus.
»Das habe ich«, antwortete er. »Bist du gewillt, dich mir anzuschließen?«
Moyar ignorierte die ausgestreckte Hand für den Moment. Stattdessen stieß der Ghoul ein dröhnendes Lachen aus. »Das entscheide ich, wenn ich deine Pläne kenne, Menschlein!«
Auch Álvarez lachte nun. Seine Stimme klang heiser und rauchig.
»Die will ich dir gerne erklären«, sagte er und dann begann er mit seinen Ausführungen. Interessiert lauschte Moyar seinen Worten. Was der Mensch ihm berichtete, klang durchaus schlüssig.
Der Ghoul überlegte noch einen Moment, dann streckte er seine riesige, schleimige Pranke aus und drückte die Hand des Menschen.
»Wie es aussieht, sind wir tatsächlich Verbündete«, grollte Moyar wohlwollend. Auch wenn er immer noch skeptisch war, schien der Bärtige doch das einzige Wesen zu sein, das einem Artgenossen nahe kam. Er beschloss, fürs erste mit ihm zusammenzuarbeiten.
»Aber die Zeit rennt uns davon«, ließ Álvarez wissen. »Und wir sind nur wenige!«
Seine Stimme klang drängend.
Moyar blinzelte. Nach allem, was der Sterbliche ihm erzählt hatte, verstand er den Ernst der Lage. Er mochte den Tonfall des Anderen nicht sonderlich, dennoch war er gewillt, sich vorerst auf die ganze Sache einzulassen.
»Wir werden Verstärkung brauchen«, erklärte das dämonische Wesen.
Moyar wandte sich um und blickte über den Friedhof. Das gorillahafte Wesen breitete die Arme weit aus, während seine Lippen uralte, verbotene Worte murmelten.
Innerhalb weniger Momente begann das Erdreich zu ihren Füßen zu brodeln.
Nun trat Álvarez doch einen Schritt zurück.
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