0981 - Tränenjäger
schwer. Was mochte dem armen Mann in der Todeszone widerfahren sein, um solch ein Monstrum aus ihm zu machen?
Oder, der Gedanke durchzuckte ihn plötzlich eiskalt, war es vielleicht niemals ein Mann gewesen und die Albtraumkreatur dort draußen stellte seine wahre Gestalt dar?
Er wusste, dieses Rätsel würde er nicht lösen können. Vorerst gab es dringlichere Dinge - zum Beispiel diese Nacht zu überleben!
Domingo kniff die Augen zusammen, als plötzlich die grellen Lichtkegel mehrerer Autoscheinwerfer die Nacht zerrissen. Aufheulender Motorenlärm wurde laut.
»Da kommt jemand«, sagte der Priester überflüssigerweise. Vielleicht war das ja die Rettung!
Aufgeregt verfolgte Domingo, was draußen vor sich ging. Mehrere Fahrzeuge hielten auf dem Gelände der Mission. Gleich darauf verstummte das Motorengeheul. Als die Scheinwerfer abgeschaltet wurden, kehrte die Dunkelheit zurück.
Es war jedoch immer noch hell genug, um zu erkennen, wer der Überraschungsgast war.
Álvarez!
Domingo schluckte schwer, als er den brutalen Plantagenbesitzer erkannte. Was mochte der Zuckerbaron hier wollen?
Mit umständlichen Bewegungen kletterte Don Antonio aus seinem Jeep. Seine mitgebrachten Männer blieben in ihren Autos sitzen. Dem Priester fiel sofort auf, dass mit ihnen etwas nicht stimmte. Sie wirkten, als habe man ihnen kurzerhand das Gehirn entfernt. Sie machten den Eindruck willenloser Automaten.
Álvarez hingegen strahlte eine ungeheure Selbstsicherheit aus. Er ging ein paar Schritte in Richtung Friedhof und blieb dann stehen. Interessiert betrachte er das Ungetüm. Angst schien er nicht zu kennen, obwohl ihn das Monster angriffslustig anknurrte.
Es hatte sein Wüten mittlerweile eingestellt und blickte die Neuankömmlinge abwartend an. Offenbar hatte es noch nicht entschieden, ob es noch warten oder sich lieber gleich auf sie stürzen sollte.
Nur undeutlich konnte Domingo sehen, dass Álvarez zu sprechen begonnen hatte. Die genauen Worte konnte der Priester nicht verstehen, denn der Plantagenbesitzer redete nicht laut und die Entfernung war zu groß.
Das unheimliche Wesen schien ihm jedoch interessiert zuzuhören. Es legte den Kopf leicht schräg und lauschte seinen Worten aufmerksam. Sein Körper entspannte sich und die Aggression fiel zusehends von ihm ab.
Domingo schluckte schwer.
Wenn der bösartige Zuckerbaron eine Allianz mit diesem Monstrum schloss, dann mochte ihnen allen der Himmel gnädig sein…
***
Das Ungeheuer hieß Moyar.
Interessiert betrachtete es den alten Mann, der sich so mutig in seine Nähe begeben hatte. Im Grunde stellte er nur eine weitere potenzielle Mahlzeit dar, doch ihm haftete eine seltsam vertraute Ausstrahlung an, die es davon abhielt, sich umgehend auf ihn zu stürzen.
Noch einmal knurrte Moyar leise.
Das Ungeheuer dachte zurück.
Es war dem Ruf der Sphäre hierher, nach Kolumbien, gefolgt, gemeinsam mit vielen anderen niederen Dämonen. Aber dann war etwas geschehen! Eine unheilige, mächtige Präsenz hatte sich genähert und die Gefährten ausgelöscht. Es hatte sich an ihnen gelabt. Auch Moyar wäre fast gestorben damals, doch wie durch ein Wunder war ein kümmerlicher Rest Leben in seinem Körper zurückgeblieben.
Fast hätte das Monstrum gelacht, als es sich erinnerte. Es hatte bereits den Untergang seiner Heimat, der Hölle, überlebt und nun also auch dieses Desaster. Dennoch war es nach der überraschenden Attacke geschwächt gewesen und hatte wochenlang in Stasis gelegen. Schließlich raffte sich Moyar wieder auf. Torkelnd verließ er die Todeszone, um sich zurück in die Zivilisation zu begeben.
Vorsorglich nahm er hierbei seine menschliche Gestalt an. Das erwies sich als klug, denn am Rande des Dschungels war Moyar dann auf die Mission gestoßen.
Hier brach er geschwächt zusammen. Während sich sein Körper über die Wochen regenerierte und schwarzmagische Kräfte in ihm arbeiteten, wurde er aufopferungsvoll gepflegt.
Moyar kicherte. Wenn die Sterblichen damals gewusst hätten, mit wem sie es zu tun hatten, so hätten sie wohl ganz anders gehandelt.
Besonders der lächerliche Priester wäre wohl kreidebleich geworden, hätte er geahnt, dass er es mit einem Dämon aus den tiefsten Tiefen der Hölle zu tun hatte.
Denn Moyar war eine Art Ghoul. Zwar war er mächtiger als der gemeine Leichenfresser, aber eine Verwandtschaft bestand dennoch unzweifelhaft.
Moyar machte ein, zwei Schritte auf den Bärtigen zu. Die Ausstrahlung, die dem Sterblichen anhaftete,
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