0982 - Der Ufo-Bastard
sich auf die Jagd nach irgendwelchen Geistern und Dämonen zu begeben. Schon wenig später hatte mich die Realität eingeholt, denn da dachten wir wieder an Julia Fohrmann und auch daran, daß wir uns beeilen mußten…
***
Julia saß auf der Bettkante. Sie hatte diese Haltung eingenommen, kaum daß ihr Vater das Haus verlassen hatte. Wenn sie ehrlich gegen sich selbst war, gefiel es ihr ganz und gar nicht, allein zurückbleiben zu müssen. Nicht daß sie Angst gehabt hätte, nein, das auf keinen Fall, in diesem Haus hatte sich das Kind immer sicher gefühlt, aber dieser angeblich tote Heinz Müller wollte ihr nicht aus dem Kopf. Da konnten die Leute sagen, was sie wollten, hin und her reden, sie auslachen, aber sie hatte ihn gesehen. Sie war davon fest überzeugt gewesen, daß nur er es gewesen sein konnte.
Ein Toter, der lebte. Ihre Phantasie trieb nicht derartige Blüten, daß sie sich irgendwelche Horror-Szenarien vorgestellt hätte, wie sich die Erde auf einem Grab plötzlich bewegte und den in ihr liegenden Toten entließ.
So weit dachte sie nicht. Ihre Gedanken drehten sich um ganz andere Dinge.
Heinz Müller lebte. Und wenn er lebte, dann war er nicht tot. Dann hatten die Leute, auch ihre Eltern, einen anderen beerdigt als diesen Heinz Müller. Warum nur?
Der Gedanke bereitete ihr Probleme. Warum beerdigte man einen Falschen, ohne es zu bemerken.
Julia hielt es auf der Bettkante nicht mehr aus und stand auf. Sie ging bis zum Fenster und blieb dort stehen. Sie konnte in den Garten schauen, den ihr Vater immer stolz als Biogarten bezeichnete. Das glaubte Julia nicht so ganz. Ihrer Ansicht nach hatte er einfach keine Lust, sich um den Garten zu kümmern. Er war zu faul, und deshalb ließ er alles wachsen und erzählte von seinem Biotop. Ganz schön raffiniert, der Pauker, dachte das Kind.
Sie sah die Obstbäume. Die Kirschen hatten sie schon längst gepflückt.
Bald würden die Birnen und Äpfel reif sein, und auch die Pflaumen schimmerten schon dunkler als noch vor wenigen Wochen. Der Sommer stand in hoher Blüte, aber die Ferien würden nicht mehr lange dauern, dann begann der Herbst. Der Winter würde folgen, den Julia nicht besonders mochte. Im letzten Jahr war es irrsinnig kalt gewesen. Frost bist tief in den April, das lähmte ihre Lebensfreude.
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, weil sie den Pfad an der linken Seite sehen wollte. Dort spielten oft Freundinnen aus der Nachbarschaft.
Heute waren sie nicht da.
Julia fühlte sich allein. Sie mochte auch das Haus nicht mehr, denn es war so still. Ihre Mutter würde noch zwei Tage in Ulm bleiben. So lange war sie mit ihrem Vater allein. Abends war er zumeist noch unterwegs.
Zu Sitzungen des Gemeinderates, sagte er. Aber das glaubte Julia nicht.
Das wäre dann beim Bürgermeister im Rathaus gewesen, nicht bei dieser Susanne Müller.
Julia mochte sie nicht. Zwar war sie zu ihr immer freundlich gewesen, doch das kam ihr sehr unnatürlich vor. Das war nicht echt. In Wirklichkeit hätte Susanne sie lieber von hinten gesehen.
Und Witwe ist sie auch nicht mehr, dachte Julia. Ich habe ihren Mann gesehen, und sie dachte daran, welche Angst ihr dieser Anblick eingeflößt hatte. So eine schlimme Furcht hatte sie noch nie in ihrem Leben durchlitten. Sie konnte sich zumindest nicht daran erinnern. Wären die netten Leute nicht gekommen, hätte Müller sie sogar noch entdeckt.
Ob er noch immer unterwegs war?
Julia schüttelte sich bei diesem Gedanken. Sie warf einen Blick auf die gespreizten Hände und entdeckte die Gänsehaut auf der Oberfläche. Ein Beweis für ihre Angst.
Ausgerechnet jetzt war ihr Vater nicht da. Sie hätte gern mit ihm darüber gesprochen. Manchmal war er richtig lieb, da fand er dann immer die Worte, die wichtig waren.
Sie schüttelte sich und wollte weinen. In der letzten Zeit war ihr Vater so komisch geworden. Viel ruhiger als sonst. Er hatte zwar mit ihr gesprochen, aber nicht mehr so nett wie sonst. Immer in einem ernsteren Tonfall.
Er war ihr auch ausgewichen, als hätte er ein Geheimnis, worüber er mit niemandem reden konnte.
Das mußte sich ändern. Julia wollte mit ihrer Mutter darüber sprechen, wenn diese wieder aus Ulm zurück war. Da mußte sich einfach etwas ändern, das war für sie wichtig.
Wieder blickte sie in den Garten. Diesmal auf die Wiese, auf der zahlreiche Sommerblumen standen. Daneben schwankten die Sonnenblumen im leichten Wind, die tatsächlich wie kleine Sonnen leuchteten.
Und dort bewegte sich
Weitere Kostenlose Bücher