0982 - Die Kinder der Zeitsäufer
Das Team um den Meister des Übersinnlichen hielt er für zu weich und deshalb nicht würdig, kraftvolle Waffen zu tragen. Diese stünden alleine ihm zu. Vor allem Dylans Tattoo-Reif hatte es ihm angetan.
Kerth bediente sich der Hilfe seines jüngeren Bruders Matthias, der zwar Zweifel an Leons Vorgehen hegte, aber dennoch dessen Anweisungen befolgte - bis zu dem Augenblick, als er den Wahnsinn in ihm erkannte. Gekränkt zog er sich zurück und öffnete sämtliche Käfige des Bestiariums.
Während des Kampfs gegen die Höllenkreaturen verlor Leon Kerth das Leben -und Matthias den Verstand.
Nein, das war vermutlich zu hart ausgedrückt. Aber er war unter der Schuld, die er auf sich geladen hatte, zerbrochen. In einem Hamburger Sanatorium versuchte er, mit professioneller Hilfe in den Alltag zurückzufinden.
Ihn hatte Dylan vor einer Woche besucht und gefragt…
»Ich weiß, dass es ihnen schwerfällt, darüber zu sprechen. Aber ich muss wissen, wie Ihr Bruder an den Gosh-Dämon gekommen ist.«
Matthias hatte abgenommen. Der Pferdeschwanz war einer Stoppelfrisur gewichen. Von der Ähnlichkeit mit dem Comic-Verkäufer aus den Simpsons war nichts mehr zu sehen.
»Das ist ein Test, richtig?«
Dylan und Matthias saßen auf einer Bank im regnerischen Park des Sanatoriums, wo kahle Bäume auf sie herabstarrten. Der Schotte wäre lieber etwas gelaufen, aber Kerth hatte darauf bestanden, sich zu setzen. Also hatte sich Dylan dem Wunsch gebeugt und einen nassen Hintern in Kauf genommen.
»Ein Test?«, sagte er. »Ich verstehe nicht.«
»In Wirklichkeit sind Sie Arzt«, behauptete Matthias. »Sie wollen prüfen, ob ich noch an Dämonen glaube.«
»Ich bin kein Arzt. Erkennen Sie mich nicht? Ich bin der, den ihr Bruder in seinem Lagerhaus gefangen gehalten hat.«
Kerth lachte auf. »Sie sehen vielleicht so aus! Aber Sie möchten mich nur auf die Probe stellen.«
Sekundenlang sagte Dylan nichts und dachte nach. Dann entschloss er sich zu einer anderen Herangehensweise, auch wenn es ihm leidtat, Matthias zu hintergehen.
»Sehr gut, Herr Kerth. Sie haben große Fortschritte gemacht.«
Matthias strahlte übers ganze Gesicht.
»Aber«, fuhr Dylan fort und hob dozierend den Zeigefinger, »um Ihre Wahnvorstellungen in den Griff zu bekommen, müssen wir sie genauestens analysieren. Verstehen Sie?«
Der Mann mit der Stoppelfrisur nickte eifrig.
»Sehr schön. Sie haben bei einer früheren Sitzung von einem…« Dylan zeichnete mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft. »… Dämon erzählt. Mit wulstigen Lippen, spitzen Zähnen und einer fast durchsichtigen Haut.«
»Habe ich das?«
Dylan wusste es nicht. Dennoch nickte er. »Woher hatte Ihr Bruder den? Oder all die anderen Schwarzblüter?«
Matthias zuckte zusammen, deshalb schob der Schotte schnell noch nach: »In Ihrer Einbildung natürlich.«
»Er hat sie beschworen.«
Was? So einfach sollte das sein? Das glaubte Dylan nicht. »Muss man nicht das Sigill eines Dämons kennen, um ihn herbeizuzwingen?«
»Doch, aber Leon hat sie nicht gezwungen. Er war bei der Fremdenlegion, müssen Sie wissen.«
»Ah ja. Und was… äh… hat das mit den Däm…«
»Da war er viel unterwegs. Kam viel rum. Und von einer dieser…« Nun war es Matthias, der Anführungszeichen in die Luft malte. »… Reisen brachte er ein Buch mit. In ihm war eine Blindbeschwörung beschrieben, mit der man wahllos einen Dämon rufen konnte.« Er zuckte mit den Schultern. »Als ob Sie ein paar zufällige Ziffern in Ihr Telefon tippen. Manchmal ergeben sie keine Rufnummer. Manchmal schon, aber es geht niemand ran. Und falls doch, legt er vielleicht schnell wieder auf. Nur selten ist jemand neugierig oder dumm genug, sich auf ein Gespräch mit Ihnen einzulassen. Und so war es auch bei dieser Blindbeschwörung.«
»Verstehe.« Ob Zamorra wusste, dass so etwas möglich war? »Was ist aus dem Buch geworden?«
»Das steht noch in der Lagerhalle.«
Mit anderen Worten: Es ist verbrannt wie auch der Rest von Leons Habseligkeiten.
»In meiner Einbildung!«, ergänzte Matthias.
»Natürlich. Sie machen das sehr gut, Herr Kerth. Kommen wir zurück zu diesem Dämon mit den Wulstlippen. Er war also neugierig oder dumm genug, sich auf die Beschwörung einzulassen.«
Die Antwort bestand aus einem Kichern. »O nein, der nicht! Er war der Einzige, dem keine Wahl blieb, weil er sich gegen den Ruf nicht wehren konnte.«
»Wie meinen Sie das?«
Matthias antwortete nicht. Offenbar rührte Dylan an einer
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