0983 - Die Schamanin
Speck geschmort. Ist es recht, der Herr?«
»Ja, schon gut, Mum. Ich kann doch nichts dafür, wenn du dich ärgerst. Sorry.«
Nein, du kannst nichts dafür, dachte Sheila. Du bestimmt nicht, aber dein Vater hätte zumindest anrufen können, wo er sich herumtreibt und was er vorhat.
Viel wußte Sheila Conolly nicht. Ihr Mann Bill war in die Karibik geflogen, wo er sich auf der Insel Haiti umschauen wollte. Nicht zum Spaß, auch nicht, um dort Urlaub zu machen, ihm ging es um etwas ganz anderes.
Er wollte herausfinden, welches Geheimnis eine Frau mit dem Namen Imelda umgab, über die Bill gelesen hatte. Sie war etwas Besonderes. Sie wurde als Schamanin bezeichnet, und Bill hatte seiner Frau auch einen Artikel gezeigt, in dem über Imelda berichtet worden war.
Wie immer hatte es Sheila nicht gefallen, daß sich Bill allein auf den Weg machte. Aber sie wußte auch, daß sie ihn nicht anketten konnte. Bill brauchte die Freiheit, und sein Job führte in alle Ecken der Welt, weil er Rätsel und Geheimnisse lösen wollte, die ihren Ursprung in alten Kulturen hatten. Das ging schon seit Jahren so, und die Conollys hatten mit übersinnlichen oder dämonischen Mächten Erfahrungen sammeln können, was nicht zuletzt an ihrem gemeinsamen Freund John Sinclair lag, der auch Geisterjäger genannt wurde und zugleich Johnnys Patenonkel war.
Johnny kehrte zurück. »Frisch gewaschen«, sagte er und zeigte Sheila beide Hände, als wäre er noch ein kleines Kind.
Sie mußte lachen. »Ist schon gut. Ich war ein wenig nervös. Setz dich jetzt.«
Mutter und Sohn aßen in der Küche. Als Sheila die Suppe serviert hatte, schaute sie aus dem Fenster, wo silbrig schimmernden Tropfen vom Himmel her fielen.
Es regnete in Strömen. Immer dann, wenn die Tropfen in das Licht der Außenleuchte gerieten, schimmerten sie auf. Zudem war es auch kälter geworden. Zwar zeigte der Kalender erst Ende August an, aber einer der Wetterfrösche im Fernsehen hatte strikt behauptet, daß der Sommer schon vorbei war. Das Wetter schien ihm wirklich recht zu geben.
Johnny aß die Suppe. Auch Sheila verspürte Hunger. Das Essen war wirklich super, aber der Appetit wollte sich nicht so recht bei ihr einstellen, denn ihre Gedanken drehten sich nach wie vor um ihren Mann, der in der Karibik weilte.
Einmal hatte er nur angerufen, daß er gelandet war, aber das reichte Sheila nicht. Sie erwartete, daß sich Bill wieder meldete. Es war auch nicht seine Art, stumm zu bleiben, normalerweise nicht, es sei denn, er war verhindert, oder es war etwas Schreckliches passiert.
Daran hakten sich Sheilas Gedanken fest. Auch Johnny hatte längst bemerkt, daß seine Mutter nicht so locker wie sonst war. »Schmeckt es dir nicht, Mum?«
»Doch-ja.«
»Aber du siehst aus, als würdest du dein Essen nur einfach so hineinwürgen.«
»Da irrst du dich.«
»Ich weiß nicht. Mir schmeckt es jedenfalls.«
»Das freut mich.«
»Und du denkst wieder an Dad?« ‘ Sheila schaute auf und sah ihren Sohn an. »Ja, ich denke an ihn. Warum soll ich dir etwas vormachen?«
Johnny trank einen Schluck Cola. »Ist sein Job denn gefährlich?«
Sie hob die Schultern. »Das kann ich dir nicht genau sagen. Aber was ist bei deinem Vater schon ungefährlich, wenn er mal wieder auf Reisen ist? Kannst du mir das sagen?«
»Nein.«
»Na bitte.«
»Ich habe den Artikel auch gelesen. Muß eine komische Frau sein, diese Imelda.«
»Ja, sie ist wohl eine Schamanin.«
»Warum ist John denn nicht mitgeflogen?«
Sheila schüttelte den Kopf. »Das ist nicht so einfach, Johnny. Dein Patenonkel ist Polizist. Er kann erst eingreifen, wenn etwas passiert ist. Das war hier nicht der Fall. Dein Vater will über diese Imelda einen langen Bericht schreiben. Sie ist zwar eine besondere Frau, aber sie hat sich keines Vergehens oder Verbrechens schuldig gemacht. Sie ist einfach nur interessant. Vor allen Dingen für die Medien, für die dein Vater ja arbeitet.«
»Da hast du recht, Mum.«
Sheila sah, daß Johnny seinen Teller leer hatte. »Möchtest du noch etwas Suppe?«
»Nein, danke, es ist genug.«
»Dann gibt es jetzt die Pilze.«
Die Pfanne stand auf dem Ofen. Sheila nahm zwei Teller. Johnnys füllte sie mit der doppelten Menge an Pilzen. Ihr reichten nur wenige. Sie kehrte wieder zum Tisch zurück, setzte sich, probierte die geschmorten Pfifferlinge und war zufrieden. Auch ihr Sohn freute sich über das Essen. Er lobte es, was Sheila zu einem Lächeln veranlaßte. Für einen Moment vergaß sie
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