0983 - Die Schamanin
haben, wie es ihm ging oder was mit ihm geschehen war. Haiti war ein fremdes Land, Teil einer Insel in der Karibik, und dort wurden magische Rituale gepflegt, deren Ursprung im afrikanischen Voodoo-Zauber lag. Vieles war fremd, böse und unheimlich für einen Europäer, auch wenn er sich mit diesem Gebiet beschäftigte.
Johnny trank noch den letzten Schluck Cola, nickte seiner Mutter zu und schaute dann durch die Scheibe gegen den Regen. Er verzog das Gesicht.
»Die Regenjacke habe ich mir schon rausgelegt.«
»Ich kann dich auch hinfahren.«
»Nein, Mum, laß mal. Dann sagen die anderen, da kommt das Kleinkind, das von seiner Mutter gebracht wird.«
»Ist doch Unsinn!«
»Für dich.« Johnny stand auf und verließ die Küche. Auch Sheila erhob sich seufzend und kopfschüttelnd. In die Gedankengänge der jungen Generation war es für einen Erwachsenen wirklich schwer, sich hineinzuversetzen.
Im Flur streifte Johnny die wasserdichte Parkajacke über. Er band sie unten zu, streifte die Kapuze über, grinste seine Mutter an und öffnete die Haustür. Sofort wühlte sich Wind in den Flur hinein. Er brachte die kalten Tropfen mit, die nasse Flecken auf dem Boden hinterließen.
Johnny hatte das Rad schon neben die Haustür gestellt. Er winkte seiner Mutter ein letztes Mal zu, schwang sich in den Sattel und fuhr in den Regen hinein.
Sheila schloß die Tür. Sie schüttelte den Kopf. Bevor John kam, wollte sie noch abräumen und das Geschirr in die Spülmaschine stellen. Sie drehte sich um. Zwei Schritte ging sie.
Plötzlich blieb sie stehen.
Sie erschrak zutiefst und wurde totenbleich. Zwei Hände umfaßten ihre Brüste, obwohl Sheila keinen Menschen sah…
***
Sheila trug an diesem Abend eine beigefarbene Jeanshose und dazu einen schwarzen Pulli. Der dünne Stoff lag streichelnd auf ihrer blanken Haut, auf der sie die Hände sehr direkt spürte, die unter ihren Pullover geglitten waren, wobei die ebenfalls unsichtbaren Fingerkuppen um ihre Brustwarzen kreisten.
Die Frau war zunächst erstarrt. Sie wußte nicht, was sie denken und vor allen Dingen nicht, wie sie die Berührungen einstufen sollte. Wenn sie logisch darüber nachdachte, war dies nichts anderes als eine sexuelle Belästigung. Aber wer war der Täter?
Sekunden verstrichen. Das Blut war aus ihrem Gesicht gewichen. Sie hörte sich selbst atmen, und die Luft drang zischend durch den Lippenspalt. Es war unglaublich. Sie steckte in einer schrecklichen Lage, obwohl im Prinzip nichts geschehen war. Zumindest nichts Sichtbares.
Aber es war trotzdem etwas da.
Ihre Gedanken waren ein wenig abgewandert, so fand sie dann Zeit, um sich wieder auf die Berührungen zu konzentrieren.
Ja, sie waren noch vorhanden. Aber die nicht sichtbaren Hände bewegten sich nicht mehr. Sie blieben dort, wo sie waren. Auf ihren Brüsten!
Ich muß etwas tun! hämmerte es durch ihren Kopf. Ich muß einfach was unternehmen. Das kann nicht so weitergehen. Das bilde ich mir nur ein.
Es ist… Sheila schaffte es nicht, ihre Gedanken zu vollenden. Sie kam zu keinem Ergebnis. So etwas hatte sie noch nie in ihrem Leben durchgemacht. Es war verdammt unheimlich und vor allen Dingen unerklärlich.
Noch hatte sich Sheila Conolly nicht bewegt. Das änderte sich nach einer Weile, denn Sheila hatte es geschafft, über ihren eigenen Schatten zu springen. Endlich konnte sie sich wieder bewegen, und sie drehte sich langsam um, wobei sie sich auf ihre Brüste konzentrierte, um nur jede fremde Bewegung dort registrieren zu können.
Sie fühlte nichts mehr - oder?
Nein, die Hände machten die Bewegung nicht mit. Ihre Haut war wieder frei von diesen fremden Berührungen, und Sheila gelang es, tief durchzuatmen.
Besser fühlte sie sich kaum. Es war klar, daß sie hier einen Anfang erlebt hatte. Wer immer ihr auch etwas getan hatte oder es versuchte, er würde es sicherlich wiederholen, das stand für sie fest. Da brauchte sie keine weitere Bestätigung. Jemand hatte sie ausgesucht, und in ihrem Kopf begannen sich die Gedanken zu jagen. Sheila stellte sich vor, daß dieser ungewöhnliche Vorgang möglicherweise etwas mit ihrem Mann Bill zu tun hatte.
So zu denken, war zwar verrückt, nur hatte Sheila in ihrem Leben schon viele verrückte Dinge durchlebt, für die es kaum eine logische Erklärung gab.
Allmählich verging das Gefühl, das Sheila selbst kaum beschreiben konnte. Sie fand wieder zu sich selbst. Auch wollte sie nicht darüber nachdenken, sondern erst einmal die Dinge so lassen, wie
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