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0983 - Die Schamanin

0983 - Die Schamanin

Titel: 0983 - Die Schamanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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»nicht wahr?«
    »Ja, das haben wir.«
    »Dann entspanne dich. Das Band kannst du später ausstellen, denn du wirst kaum etwas hören.«
    »Darf ich dich etwas fragen?«
    »Sicher.«
    »Wie ist es möglich, daß du in der Lage bist, so etwas überhaupt zu können?«
    Imelda lachte. Diesmal nicht guttural, sondern normal. »Möglich ist vieles, mein Freund. Man muß die Chancen nur erkennen, die sich einem Menschen bieten. Man muß nicht nur an das glauben, was man sieht. Es gibt in und auf dieser Welt unzählige Geheimnisse, und es gibt auch Menschen, die einen Teil dieser Geheimnisse kennen. Die Lehre der Schamanen ist alt, uralt sogar. Schon vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden haben sie erkannt, daß die Welt hinter dem Sichtbaren voller Rätsel steckt, und sie haben es verstanden, mit diesen Geistern Kontakt aufzunehmen und auch Wege zu finden, zu ihnen zu gelangen. Du wirst erleben, daß ich aus meinem Körper heraustrete, aber du wirst dabei nichts sehen. Trotzdem bleibe ich dabei, daß du es erleben wirst, Bill, denn du bekommst es auf eine bestimmte Art und Weise zu spüren.«
    »Ich bin gespannt.«
    »Das darfst du.« Sie spitzte den Mund, stieß krächzende und auch ziemlich laute Geräusche aus, die nicht Bill galten, sondern ihrem Freund Corvatsch.
    Da die Tür nicht geschlossen war, hatte der Vogel freie Bahn. Er flog nicht hinein, sondern hüpfte über die Schwelle. Wieder wunderte sich Bill über dessen Größe. Er blieb für einen Moment stehen, dann drehte er den Kopf in Bills Richtung und stieß sich vom Boden ab. Mit wilden Flügelschlägen durchflog er das Zimmer, und Bill zog unwillkürlich den Kopf ein, weil er sich davor fürchtete, daß der Rabe darauf landen könnte.
    Das tat er nicht. Er flog jedoch so dicht über Bills Haarschopf hinweg, daß der Reporter den Luftzug spürte. Die Haare wirbelten an einigen Stellen hoch. Der Rabe ließ sich wieder zu Boden fallen, sprang aber dann auf die Liege und stolzierte über den nackten Körper der Frau hinweg, bis er den Kopf erreichte. Es sah beinahe so aus, als wollte er sich auf ihm niederlassen, doch er nahm rechts neben dem Gesicht Platz, als wollte er die Frau beschützen.
    Imelda schloß die Augen. »Ruhe«, flüsterte sie. »Nur die Ruhe führt zu einem wunderbaren Dasein, Bill. Nur so kann der Geist den Körper verlassen und auf Reisen gehen. Ich werde dir von ihnen erzählen, von meinem Trip in die fernen Länder…« Die Stimme war schon bei den letzten Worten leiser geworden, dann sackte sie völlig weg, und eine schon bedrückende Ruhe hüllte die beiden so unterschiedlichen Menschen ein.
    Bill Conolly wartete. Er blies die Luft durch die Nasenlöcher aus. Nur keine Geräusche absondern, die Imelda stören konnten, aber sie ließ sich nicht stören.
    Bill schaute genauer hin.
    Er schüttelte den Kopf, denn sie sah aus wie eine Tote. Ja, sie bewegte sich nicht, als hätte sie das Atmen vergessen, denn da hörte Bill Conolly ebenfalls nichts.
    Imelda war in ihre Welt abgetaucht, und kein Fremder würde sie hervorholen können.
    Bill schauderte schon zusammen, als er die Frau genauer beobachtete.
    Sie konnte ihm nicht gefallen, denn sie erinnerte ihn einfach zu stark an eine Leiche, wie sie da lag. Er betrachtete ihr Profil und hatte den Eindruck, als hätten sich die Augen noch weiter aus den Höhlen geschoben, um später als schleimige Masse über das Gesicht zu kriechen.
    Sie blieben in den Höhlen. Nichts passierte äußerlich mit Imelda. Man hätte sie auch jetzt in einen Sarg packen können, und Bill konnte seine Neugierde nicht länger im Zaum halten. Vorsichtig stand er auf, den Blick dabei auf den Raben gerichtet, der auch ihn unter Kontrolle behielt. Sollte er sich bewegen, war Bill bereit, sich sofort wieder auf seinen Klappstuhl zurückzuziehen.
    Es war ganz einfach. Er brauchte nur aufzustehen und die Frau zu berühren, doch der Reporter nahm es in diesen Augenblicken als etwas Besonderes wahr. Er fühlte sich wie in einem Film, bei dem sich der Regisseur einzig und allein auf ihn konzentrierte.
    Bill blieb in einer nach vorn gebeugten Haltung stehen. Er brauchte nur die Hand auszustrecken, um das Gesicht der regungslosen Frau berühren zu können. Er wollte feststellen, ob die Körpertemperatur gesunken war, denn so etwas passierte bei diesen Vorgängen.
    Bill legte die Hand auf die Wange.
    Kalt - ja, sie war kalt. Aber nicht so kalt wie die einer Toten. Und wieder überkam Bill der Eindruck, keine Haut anzufassen, sondern

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