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0985 - Libertys Tränen

0985 - Libertys Tränen

Titel: 0985 - Libertys Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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»Und Sie haben das wirklich gesehen?«
    »Wenn ich’s Ihnen doch sage«, beharrte Andy Sipowicz.
    Der junge Sergeant aus der großen Stadt, der seit kurzer Zeit ihr Revierkollege war, hatte sie trotz ihres freien Tages auf die Wache gerufen. Er brauchte Unterstützung - und zwar von der Sorte, die er sich nicht von den anderen Einheimischen geben lassen wollte. Amy verstand ihn gut; die Insulaner waren ein recht eigenes Völkchen, eine einzigartige Mischung aus Fischern, Gastronomen und gut betuchten Frührentnern, mit dem man wohl erst warm werden musste. Manchen gelang das nie, doch Amy hoffte und glaubte, dass Andy sich akklimatisieren würde. Mit der Zeit.
    Vorausgesetzt, er verlor vorher nicht den Verstand.
    »Zwei Worte«, sagte er nun und deutete mit ausgestrecktem Finger auf das Display des Monitors auf seinem Schreibtisch. »Da an der Wand haben sie gestanden.«
    So sehr sich Amy auch anstrengte, sah sie nichts. Abgesehen von dem grausam zugerichteten Tatort, versteht sich. Andy hatte ihr geschildert, was er auf der Libertys Tränen erlebt hatte. Und er hatte von der Schrift aus Blut berichtet, die man mit bloßem Auge nicht erkennen, auf Fotos angeblich aber sehen sollte.
    Ich zumindest seh nichts.
    »Wissen Sie noch, was für Worte?«
    Er seufzte. Vermutlich hörte er genau, wie schwer es ihr fiel, ihm Glauben zu schenken. »Es war ein Name, oder so. Anna Irgendwas. Hook, Heck, was weiß ich. Ich hab’s mir extra nicht gemerkt, weil ich ja diese Fotos hatte. Und jetzt…«
    Seine Hilflosigkeit hatte etwas Niedliches. Amy unterdrückte ein Schmunzeln. Sie mochte diesen Kollegen, den Manhattan ihr da geschickt hatte, jetzt schon weitaus mehr, als es ihr selbst recht war. Mehr als professionell gewesen wäre.
    Normalerweise kümmerte sie sich hier draußen in der Bay im Alleingang um Recht und Ordnung. Seit der alte Kaesbrod nicht mehr war, bestand das City Island Police Department aus einer einzigen Person: ihr. Das war weder beabsichtigt, noch besonders rechtens gewesen, doch City Hall hatte wohl nie die Notwendigkeit gesehen, die zweite Stelle wieder zu besetzen. In Zeiten klammer Kassen konnte Amy das verstehen, und irgendwie war hier draußen ja auch wirklich nie etwas los. Normalerweise.
    Seit diese Jubiläumsfeier ihre Schatten vorauswarf, sah das allerdings anders aus. Entsprechend froh war sie über die unverhoffte Verstärkung. Und dass die auch noch so gut aussah…
    »Sagt Ihnen das vielleicht was?«, wollte die Verstärkung wissen und riss sie so zurück ins Hier und Jetzt der ansonsten menschenleeren Polizeiwache. »Anna Hook?«
    »Heißt so die Frau des gleichnamigen Captains?«, murmelte Amy und kassierte einen Blick von Andy, der sie ganz schnell wieder vergessen machte, dass sie ihn in Gedanken gerade zum Kaffee einladen wollte.
    Der Sergeant seufzte erneut, drehte sich um und trat zum Funkgerät. »CIPD an USCG, kommen.«
    »Was haben Sie denn jetzt vor?«
    »Mal sehen, ob ich nicht…«
    Ein Knacken im Lautsprecher unterbrach ihn. »USCG hört, CIPD. Sprechen Sie.«
    »Ich müsste Sie um einen Gefallen bitten, USCG. Sind Sie zufällig noch am Tatort?«
    Amy wusste, dass Andy ein kleines Team an Küstenwachebeamten zwangsverpflichtet hatte, die Jacht zu sichern. Dem City Island Police Department fehlte dazu das nötige Personal.
    » Positiv, CIPD. Worum geht’s?«
    Andy erklärte dem Officer, er möge neue Aufnahmen der Wand an der Kabineninnenseite machen und den dort zu sehenden Namen durchgeben. Der Officer jedoch wusste von keiner blutigen Geheimschrift und schien den Sergeant für nicht ganz dicht in der Birne zu halten.
    Da könnte er recht haben, fürchtete Amy. Typisch ich. Wenn mir mal einer gefällt, dann einer mit Macken.
    Es dauerte ein Weilchen, dann fügte sich der USCG-Mann dem Wunsch der Insel-Polizei. »Verstanden, Sergeant. Geben Sie mir ein paar Minuten. Wir stecken momentan mitten im Versuch, die Tränen vor dem herannahenden Unwetter zu sichern.«
    Amy war zum Fenster der kleinen Wache getreten und sah hinaus. Der Wind trieb bereits Blätter über die City Island Avenue, und auf Ambrosini Field, im einzigen Park der Insel, bogen sich bereits die Baumkronen. »Hört diese Schlechtwettersache je wieder auf?«, murmelte sie. »An guten Tagen kann ich von meiner Küche aus bis zur Manhasset Bay sehen, wussten Sie das?«
    »Und an schlechten?« Andy erhob sich vom Funk und kam zu ihr. »An Tagen wie heute?«
    »Und gestern, vorgestern, letzte Woche und überhaupt?« Sie

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