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0985 - Libertys Tränen

0985 - Libertys Tränen

Titel: 0985 - Libertys Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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seinem Gegenüber gebührt hätte, plötzlich durch seinen eigenen
    Körper fuhr! Dunkles, warmes Blut durchnässte seinen Hemdsärmel. Ungläubig sah er ihm dabei zu, konnte nichts tun.
    Der Spiegel-Lyle hingegen blieb völlig unverletzt. Sein Grinsen war noch breiter geworden, und in seinen Augen schienen mit einem Mal lodernde Feuer zu brennen.
    »Du wirst, Lyle«, wiederholte der Spiegler fest. »Weil ich es dich heiße.«
    Und Lyle Jennings, der so stolze, sture, selbstsichere Lyle Jennings, lag wimmernd am Boden seines Museums und ergab sich.
    ***
    Zamorra hörte die Sirene schon vom Gehsteig aus, und als er um die Ecke bog, sah er ihre Verursacherin: Eine junge Frau in Uniform stand an der offenen Fahrertür eines Polizeiautos. Sie hatte den Wagen bereits gestartet, ließ das Signallicht flackern, und die Sirene abermals kurz aufheulen.
    »Kommen Sie schon, Sergeant«, rief sie danach und in Richtung des kleinen Hauses, vor dem sie parkte. »Wir müssen.«
    Das Haus musste die hiesige Wache sein, erkannte der Dämonenjäger. Allerdings hatte es diese Bezeichnung beileibe nicht verdient. Das war kein Koloss aus Stein und Glas wie Police Plaza One, ja, nicht einmal ein Bürokomplex wie der von Pierre Robin in Lyon. Sondern ein besserer Bungalow.
    Das eingeschossige Flachdachgebäude wirkte wie ein Relikt aus den 1960er Jahren und war - trotzdem man hier auf City Island nirgendwo der rauen Seeluft entgehen konnte - seit diesen auch garantiert nicht neu gestrichen worden. Hier und da bröckelte der Putz. Die Fensterscheiben waren zu mindestens einem Drittel nahezu blind. Das kleine Schild über der offen stehenden Eingangstür, das es tatsächlich als Wache auswies, flackerte so hektisch, dass es nur noch eine Frage von Minuten sein konnte, bis die darin befindliche Glühbirne ihren Geist aufgab.
    Ich schätze, wenn sie es tut, wird sie niemand auswechseln, dachte Zamorra und verkniff sich ein Schmunzeln. »Verzeihung?«
    Die junge Frau wirbelte herum. Sie hatte ihn sichtlich nicht kommen hören, und ihre Augen waren groß.
    »Ich komme in Frieden«, sagte er, hob die Hände und lächelte. »Und ich suche jemanden. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen, Officer…«
    »Williams, aber wir haben’s echt eilig.« Sie war hübsch, aber auf eine ganz natürliche, ungekünstelte Art. Dunkelblondes, leicht burschikos geschnittenes Haar, ein eher zarter Teint und eine Figur, der die paar Pfunde zu viel absolut standen. Zamorra schätzte sie auf Ende Zwanzig, Anfang Dreißig. Vermutlich war sie Insulanerin. So bodenständige Frauen wie sie suchte man in Manhattan vergebens.
    »Geht auch ganz schnell«, versprach er. »Und solange Ihr Sergeant nicht kommt…«
    Bei der Erwähnung ihres Kollegen drehte sie den Kopf zur Tür und ließ abermals die Sirene winseln. »Sergeant?«
    »Ja, doch«, beschwerte sich eine Stimme aus dem Inneren der Wache - und Zamorra erkannte sie prompt.
    Also doch!, dachte der Professor erstaunt. Gut zu wissen, dass ich richtig recherchiert habe.
    »So wild wird’s schon nicht sein«, fuhr die Stimme fort. »Ein paar Touris haben zwei Gläser zu viel getrunken und pöbeln nun ein bisschen rum. Das passiert hier alle drei Tage mal - und dafür soll ich meine Jacht-Recherche unterbre…«
    Andy Sipowicz verstummte, als er auf die Schwelle trat und sein Blick auf Zamorra fiel. Reglos stand der junge Sergeant mit dem braunen Haar da.
    »Hallo, Andy.« Zamorra grinste. »Ich freu mich auch, Sie zu sehen.«
    Officer Williams sah fragend von einem zum anderen. Dann blieb ihr Blick an Andy haften, der sichtlich blass geworden war. »Alles in Ordnung, Sergeant?«
    Sipowicz schloss die Tür hinter sich, trat auf den Parkplatz vor der Wache und schüttelte traurig den Kopf. »Warum überrascht mich das noch? Warum hab ich nicht gleich gedacht, dass Sie früher oder später hier aufschlagen, Professor? He? Dass Sie mich überall finden?«
    Aus Williams’ Ratlosigkeit wurde allmählich unverhohlener Tadel. »Können die Herren Ihr Wiedersehen vielleicht später zelebrieren?«, fragte sie gereizt und sah auf die Uhr. »Sergeant Sipowicz und ich müssen uns dringend um ein paar Randalierer kümmern. Der Notruf liegt nun schon zwei Minuten zurück!«
    Andy trat zu ihr, griff an ihr vorbei und öffnete zu Williams’ sichtlicher Verblüffung die Tür zum Rücksitz des Dienstfahrzeugs. »Vergessen Sie Ihre Randalierer, Amy«, sagte er, und die Resignation in seiner Stimme war unüberhörbar. »Was immer da im

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