0986 - In den Fängen der Nacht
sich unten am Gesicht verteilt, auch die Kleidung beschmiert und war zu Boden getropft.
Darum wollte sich Suko nicht kümmern. Er lief auf einem Boden entlang, der schwankte. Das bildete er sich nur ein, denn nicht der Untergrund bewegte sich, sondern Suko hatte Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht. Zudem kämpfte er gegen die Schatten an, die immer wieder wie schwarzgraue, undurchdringliche Inseln vor seinen Augen erschienen und einfach nicht weichen wollten.
Auch Barry F. Bracht wehrte sich. Er hoffte, daß die Kreatur durch das geweihte Silber geschwächt worden war. Schon zweimal war es ihm gelungen, einen Angriff abzuwehren. Er hatte dabei um sich getreten und auch den Schnabel getroffen, bevor sich dieser weit öffnen und ihm das Bein durchbeißen konnte.
Er würde nicht gewinnen, und Suko kämpfte ebenfalls mit der Tücke des Objekts, seiner eigenen Schwäche, die ihn immer wieder einsacken ließ, aber nicht zu Boden stieß.
»Du packst es, Barry!« rief er stöhnend, als er sah, wie sich Bracht aufrichtete. Zudem hatte er die Arme gehoben und wuchtete die Hände gegen den Schnabel.
Die Kreatur prallte gegen die Wand. Sie schrie nicht, sie brüllte auch nicht, aus ihrem Schnabel drang ein quietschendes Geräusch, als wäre irgendwo eine Tür geöffnet worden.
Plötzlich waren Schritte zu hören. Und sie würden rasch lauter, und der Inspektor drehte mühsam den Kopf, weil er einen Blick auf den Anfang der Treppe werfen wollte.
Dort wuchs eine Gestalt hoch.
Sie vergrößerte sich blitzschnell, und einen Moment später erkannte Suko, wen er vor sich hatte.
John Sinclair stürmte heran!
***
Ich hatte mich beeilt. Zwar war ich nicht geflogen, aber viel hatte nicht gefehlt. Auf der Treppe war ich nicht gestolpert. Zudem hatten mir die beiden Schußdetonationen eine zusätzliche Motivation verpaßt, und so war es mir gelungen, die Treppe in Rekordzeit zu überwinden.
Ich wirbelte in den Gang hinein.
Ein Blick reichte aus.
Suko hatte etwas abbekommen, aber er war im Moment nicht wichtig, sondern Barry F. Bracht.
Am Ende des Flurs lag der Lektor am Boden und kämpfte um sein Leben. Eine widerliche Kreatur hatte sich halb aufgerichtet und wieder nach vorn gebeugt, um über ihm zu sein.
Ich konnte sie nur im Halbprofil sehen. Das reichte aus, um mich zu erschrecken. Was da aus dem Gesicht hervorwuchs, war unwahrscheinlich.
Es sah aus wie eine breite, gekrümmte Lanze.
Das Kreuz hielt ich in der Hand. Wer immer sich um Barry F. kümmerte, er hatte einen gewissen Instinkt, denn bevor ich die Kreatur noch erreichte, wirbelte sie herum.
Ich befand mich noch im Lauf. Im Bruchteil einer Sekunde nahm ich den Anblick auf, dann prallte das Kreuz gegen den veränderten Schädel, und plötzlich flogen mir die Füße weg, weil ich über etwas gestolpert war.
Ich merkte kaum, daß ich auf dem Boden landete, aber die Kraft des Kreuzes war stärker als die der Kreatur aus der Urzeit. Dieses Symbol war der Sieg des Guten über das Böse, und es schlug voll ein.
Das wilde Kreischen durchtoste den Flur, als hätte man zahlreiche Käfige geöffnet, um die kleinen Vögel in die Freiheit zu entlassen. Dabei verging die Kreatur der Finsternis. Ich hatte mich auf dem Boden herumgewälzt, dann aufgestützt und schaute dem Kampf der unterschiedlichen Energien zu.
Das Gesicht würde zu einer breiigen Masse. Der Schnabel sackte zusammen, formierte sich wieder neu, aber er schaffte die alte Länge nicht mehr. Dafür schob sich wie eine gläserne Maske das andere Menschengesicht darüber. Es waren sympathische Züge einer etwa dreißigjährigen Frau, aber das Gesicht löste sich rasch wieder auf, so daß die Kreatur die Überhand hatte.
Die Dämonin war aufgesprungen. Sie stand auf beiden Beinen und erlebte so auch ihre Vernichtung mit. Sie brüllte schrecklich. Dabei schlug sie um sich und hämmerte mit den Händen gegen die Wände des engen Flurs.
Der Kopf kochte.
Der veränderte sich. Es bildeten sich Blasen. Der gekrümmte Schnabel zog sich zurück, und wieder tauchte das menschliche Gesicht auf, jetzt mit einem Staunen in den Augen.
Dann brach die Kreatur auf der Stelle zusammen und rührte sich nicht mehr. Sie lag nicht, sondern saß mehr, denn sie stützte sich mit der Schulter an der Wand ab, wie es der Zufall gewollt hatte.
Ich betrachtete das Gesicht.
Es war keines mehr.
Es war nur noch ein Klümpen, eine dunkle Masse, erstarrt, wie aus Ton modelliert und anschließend gebrannt. Zwei Gesichter aber mischten
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