0986 - Zeichen der Angst
getrieben.
»Wieso? Was passiert denn, wenn ich es anfasse?«, wollte sie nun wissen und warf Ted einen herausfordernden Blick zu. Ihre Hand schwebte wenige Zentimeter vor einer alten Vase in einer Nische, die vermutlich äußerst wertvoll war. Ted wollte gerade erwidern, dass er ihr dann ordentlich den Hintern versohlen würde, doch er verkniff es sich in letzter Sekunde. Zum einen würde er sie wohl kaum zur Vernunft bringen, wenn er sie weiterhin wie ein Kind behandelte, und zum anderen konnte er ihr, soweit er bisher wusste, dank ihrer magischen Verbindung nichts antun, ohne es auch selbst zu erleben.
Wie schon so oft in den vergangenen Tagen bedauerte Ted, dass Sajol keine andere Möglichkeit geblieben war, als sie auf diese Weise voneinander abhängig zu machen. Er verstand natürlich, dass es wichtig war, Mysati auf der Erde unter Kontrolle zu halten, aber die Aussicht, für den Rest seines Lebens an sie gebunden zu sein und bis zu einem gewissen Maß auch unter ihrer Kontrolle zu stehen, entmutigte ihn. Dieser verdammte Hokuspokus! Wenn Ted Ewigk eins gelernt hatte, dann, dass das Anwenden von Magie immer Konsequenzen mit sich brachte. Und so wie es aussah, musste nun auch er einen Preis dafür zahlen, obwohl er selbst gar keine Magie angewandt hatte!
Doch auf ihn wurde in letzter Zeit eine Menge Magie angewandt - zuerst Mysatis, dann Sajols, und wer konnte schon sagen, was bereits davor mit ihm geschehen war, als er sein Gedächtnis verloren hatte. Er steckte in einer Situation fest, die ihm absolut nicht gefiel, aber er konnte nichts dagegen tun, also musste er versuchen, das Beste daraus zu machen.
Zamorra hatte recht, es war sicher besser, Mysati als Verbündete denn als Feindin zu haben, selbst wenn sie ihm nicht mehr schaden konnte. Also schluckte er seine Frustration und seine Wut herunter und beschloss, es auf andere Weise zu versuchen: indem er Mysati trotz ihres kindischen Verhaltens wie eine Erwachsene behandelte und sich auch selbst, wie ein Erwachsener benahm.
»Nichts«, beantwortete er daher Mysatis Frage. »Wenn du die Vase unbedingt anfassen willst, dann tu das. Ich denke nur, dass Zamorra nicht besonders begeistert wäre, wenn er wüsste, dass du durch sein Schloss läufst und alles betatschst. Aber wenn du es nicht lassen kannst, dann tu es eben. Ich kann dich ja ohnehin nicht davon abhalten.«
Mysati schob trotzig die Unterlippe vor. »Du kannst einem echt jeden Spaß verderben«, murrte sie. Ted lächelte in sich hinein. Sollte es ihm tatsächlich gelungen sein, Mysati zur Vernunft zu bringen, indem er vorgab, dass ihn ihr Handeln nicht kümmerte? Bevor er seinen Triumph genießen konnte, war Mysati jedoch schon weitergelaufen.
»Mal sehen, wo es da hingeht!«, rief sie und verschwand um die nächste Ecke.
Ted seufzte und spielte kurz mit dem Gedanken, sie einfach gewähren zu lassen. Vielleicht konnte er sich in Zamorras Bibliothek zurückziehen und sich ein paar Stunden Ruhe gönnen. Was gingen ihn Mysatis Eskapaden an? Jede Menge, rief er sich in Gedanken zur Ordnung. Immerhin hatte er Sajol versprochen, dass er dafür sorgen würde, dass Mysati auf der Erde nichts anstellte. Also musste er sie im Auge behalten, denn auch wenn eine zerbrochene Vase oder Ähnliches sicher nicht das Schlimmste war, was Mysati anrichten konnte, wollte Ted Zamorra nicht erklären müssen, wie es dazu gekommen war. Zamorra sollte sein Haus in dem Zustand wiederfinden, in dem er es verlassen hatte.
Mit einem erneuten Seufzer bog er um die Ecke und lief Mysati nach.
***
»Das ist ja traumhaft!«, vernahm Ted Mysatis hohe, verzückte Stimme und folgte ihr ein paar Stufen hinunter. Am Ende der Treppe fand er sich in der Küche des Châteaus wieder. Mysati stand in der Mitte des Raumes, drehte sich um sich selbst und hatte die Augen vor offensichtlicher Begeisterung weit aufgerissen. »Sieh nur!«, rief sie aufgeregt, als sie Ted entdeckte.
»Was denn?«, fragte dieser verwirrt. »Das ist doch nur die Küche?«
Ted war nicht klar, was Mysati so begeisterte. Doch als er sah, wie sie sich einen großen Messingtopf schnappte, ihn mit Wasser füllte und diverse Behälter mit getrockneten Kräutern von den Regalen nahm, dämmerte es ihm langsam. Die kleine Gifthexe hatte einen Ort gefunden, um ihre seltsamen Tränke zu brauen und war damit ganz in ihrem Element. Ted hoffte inständig, dass sich in dieser Küche lediglich harmlose Gartenkräuter befanden, mit denen Mysati schlimmstenfalls einen
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